Herzogenauracher Steuerberater in der Pandemie: Mit Argusaugen auf den "FAQs"

17.4.2021, 18:00 Uhr
Herzogenauracher Steuerberater in der Pandemie: Mit Argusaugen auf den

© Foto: Edith Kern-Miereisz

Für viele Arbeitnehmer und Selbstständige sind die jährlichen Steuererklärungen ohnehin eines der "Highlights" des Jahres, das man so lange vermeidet, bis es schmerzt.

In der Corona-Pandemie sind Arbeitsrecht, Kurzarbeitergeld, Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen, Gewerbesteuerstundungen, die ausgelaufene Umsatzsteuerermäßigung, Novemberhilfen, Dezemberhilfen, Überbrückungshilfen für Firmen und Privatleute noch mehr Bücher mit sieben Siegeln. Die Steuerkanzleien sind von der aktuell schnell sich wandelnden Gesetzgebung direkt betroffen. Im Gegensatz zu vielen anderen Branchen werden in den Kanzleien technisch affine Steuerfachleute dringend gesucht.

"Die FAQs (frequently asked questions, häufig gestellte Fragen) sind geändert." Diese Botschaft wartet häufig dieser Tage auf die 14 Mitarbeiter der Kanzlei in Herzogenaurach, von denen immer mindestens die Hälfe im Homeoffice arbeitet.

Durch den hohen Digitalisierungsgrad der Kanzlei konnte schlagartig und intensiv ein großer Teil der Arbeit komplett ins Virtuelle verlagert werden, einerseits die Kommunikation mit den Mandanten, andererseits auch der interne Austausch, genauso wie die Weiterbildung. Tagesseminare mit persönlichen Kontakten wurden abgelöst von Videokonferenzen und Webinaren.

Der Kontakt fehlt

Die Meinung über das Homeoffice schwankt: Einerseits sind Mitarbeiter froh, konzentriert arbeiten zu könne. Andererseits fehlt der persönliche Kontakt zu den Kollegen mit dem Phänomen der Problembewältigung bei einem Espresso. Immerhin wurde das Team bis auf eine kurze Quarantäne in einem Fall von Erkrankungen verschont. Mit einer "Orga-Schleuse" wurde das Thema der kontaktlosen Übergabe von Steuerunterlagen durch den Kunden gelöst.

Kunden legen ihre Aktenordner in den "Steuerkorb" im Flur, der später von Mitarbeiterin Susanne Scarciolla oder ihren Kolleginnen ins Büro hochgeholt wird. Für die Beantragung von finanziellen Hilfen müssen sich die Steuerberater auf den Seiten der Staatsregierung oder des Finanzministeriums identifizieren.

"Entgegen der Ankündigung der Politiker" seien Corona-Hilfen alles andere als unbürokratisch und einfach zu berechnen. Oftmals habe es Wochen gedauert, bis die technische Antragstellung der angekündigten Hilfen überhaupt möglich war. In jedem Antrag müsse jede Zahl geprüft werden, "was verständlicherweise zu großem Unverständnis bei den betroffenen Unternehmen geführt hat", bilanziert der Steuerberater.

Ferner: Obwohl die Politik "Gegenteiliges behauptete, ist die Antragstellung aufwendig, technisch unzuverlässig und mit sehr vielen Widrigkeiten verbunden". Den Steuerberatern werde überdies "unterstellt, dass er viel zu viel abrechnet, weil es ja so einfach sei". Das Gegenteil sei der Fall. "Der Bürokratismus ist der absolute Wahnsinn", stellt der Steuerberater fest. Er hält es auch politisch "für eine Farce, dass das Bundesfinanzministerium als Erfolg ausgibt, dass nicht alle Hilfen abgerufen wurden". Angesichts der diffizilen Neuerungen dauert die Antragsbearbeitung entsprechend länger.

"Grenzen der Möglichkeiten"

Mancher Kunde stehe angesichts seines Schuldenstandes mittlerweile "an den Grenzen seiner Möglichkeiten", hat der Steuerberater unmittelbar Einblick. In engem Kontakt mit Banken versuche die Kanzlei manches abzuwehren. Mit einer Insolvenzwelle sei im nächsten Jahr zu rechnen. Während Branchen wie der medizinische Sektor, Baugewerbe oder IT Auftragszuwächse verzeichneten, seien Handel, Gastronomie oder körpernahe Dienstleistungen teils von Ruin bedroht.

Die exorbitant hohe Staatsverschuldung sieht Jantschke doppelbödig: Einerseits könne ein Staat nicht pleitegehen, andererseits müsse die gigantische Schuldenlast wohl über Vermögensabgaben, Erbschaftssteuern, Grundsteuern und Ähnliches gesenkt werden – ein Thema, das im Jahr der Bundestagswahl nicht in den Vordergrund gerückt werde.

Zur Pandemie generell denkt Ralf Jantschke, die großen Firmen würden vermutlich künftig anders agieren. Wegen eines Meetings nach New York zu jetten, das sei wohl vorbei. Themen wie Corona würden die Welt weiter begleiten, ist er überzeugt: "Nach Covid-19 kann Covid-20 kommen. Wir dürfen Wege finden, mit derartigen Situationen bedachter und professioneller umzugehen."

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