Kerwa längst ohne Dr. Faust

3.11.2010, 18:24 Uhr
Kerwa längst ohne Dr. Faust

© Horst Linke

In den 20er Jahren, als Kurr im „Karussellalter“ war, kamen Schiffschaukel und verwandte Belustigungen nämlich mit der Bahn. Die Geräte, Stände und Buden wurden von den Herzogenauracher Fuhrunternehmern, wie Drebinger oder dem Bahnspediteur Mauser mit Pferdefuhrwerken in die Stadt gefahren, alles unter den Augen von Buben wie Kurr.

Der wollte damals vor allem wissen, ob der Sebald wieder aus Nürnberg nach Herzogenaurach gekommen war. Den Namen trug ein bärtiger Puppenspieler, der mit seiner Kasper-Bühne regelmäßig auf der Hauptstraße vor der Brauerei Heller auftrat. Und seit der junge Fritz Kurr dem Karussellalter entwachsen war, interessierte er sich weniger für den „Affenkasten“, wie Herzogenaurachs Jugend damals die Schiffschaukel nannte, mit der man einen richtigen Salto schaukeln konnte, sondern war ein Fan des Sebaldschen Kasper und seiner Großmutter. Die Klassiker des Handpuppen-Repertoires hat der Sebald gespielt — mit selbst geschnitzten Puppen, reichlich verfremdet und im Nürnberger Dialekt.

„Genoveva, Pfalzgräfin vom Rhein“ oder „Dr. Faust“ — besonders eindrucksvoll mit Feuerwerk und Theaterdonner — der Kasper erlebte eigentlich jedes Jahr die gleichen Abenteuer für 10 Pfennig am Nachmittag und 20 Pfennig in der Abendvorstellung. Fritz Kurr war, wie er sagt, aber immer wieder mit Herz und Seele dabei, wenn der Kasper mit seiner Patsche dem Teufel eins draufgab oder das schreckliche Geschehen beim „Brudermord im Walde“ in Wohlgefallen auflöste.

Wahrscheinlich fällt heutzutage das Kerwäsgeld etwas üppiger aus als zu Kurrs Kinderzeiten. Ob es aber so viel Faszination erzeugt? Gerd Lorenz, Chef im Ordnungsamt der Stadt, spricht jedenfalls von rückläufigen Besucherzahlen bei der traditionell wetterempfindlichen Herbstkerwa, die zum Gutteil in den Gasthäusern gefeiert wird.

21 Schausteller-Betriebe sind dieses Jahr aber dennoch vertreten — auf dem Hubmann-Parkplatz (Autoskooter), dem kleinen Behördenparkplatz (Reitbahn), dem Marktplatz (Babyflug) und an der Hauptstraße, wo vom Karussell über zwei Imbiss- und diverse Süßwarenstände bis zur Schiffschaukel und einem Entenangler-Spiel die restlichen Stände platziert sind — in ausreichendem Abstand, um Rettungsfahrzeuge durchzulassen. Maßeinheit dafür ist stets die Feuerwehr-Drehleiter. Mit der Kerwa verbunden natürlich ein verkaufsoffener Sonntag in der ganzen Stadt — Outlets inklusive.rg