Köpfe rauchen für CO2 neutrale Wärme

5.11.2010, 17:22 Uhr
Köpfe rauchen für CO2 neutrale Wärme

Eigentlich wollte der Markt Prien am Chiemsee mit Hilfe der Herzogenauracher Ingenieure völlig unabhängig werden von Erdgas und Öl. Wäre die Wirtschaftskrise nicht dazwischen gekommen, sagt Reinhard Brodrecht, dann wäre dies auch gelungen.

Aber der Investor für eine Tiefen-Erdwärme-Heizanlage sprang ab, so der Geschäftsführer der „Gesellschaft beratender Ingenieure“ (GBI) mit Sitz an der Herzogenauracher Orffstraße. Und mit Gemeindemitteln eine Bohrung 6000 Meter in die Erde, ein technisches Abenteuer, zu finanzieren, konnte man den Verantwortlichen einer 10000-Einwohner-Gemeinde nicht guten Gewissens raten. Also müssen die Priener statt Wärme aus der Tiefe noch einen winzigen Anteil fossilen Brennstoffs für die Spitzenlast ihres künftigen Heizkraftwerks zulassen.

Aber die Wärme für rund 3000 und Strom für 2100 Haushalte will die Chiemsee-Gemeinde künftig mit einem großen Hackschnitzel-Ofen erzeugen. 10000 Tonnen des naturbelassenen Heizmaterials aus der oberbayerischen Region pro Jahr werden dort wohl verbrannt werden. Aber dafür rund 5 Millionen Liter Heizöl sparen, und bis zu 13000 Tonnen Kohlendioxid.

„Ein Mordsding“, sagt Brodrecht, „für die Gemeinde und für uns“. Dass die Tiefenbohrung und die völlige Energie-Selbstversorgung Priens nicht klappt, reut den GBI-Geschäftsführer hörbar, wenn er das aus

dem Wettbewerb „Energie-autarkes Prien“ hervorgegangene Planungsprojekt darstellt. Aber, so Brodrecht, ein „Referenzprojekt“ sei es allemal.

Die Herzogenauracher planen, nachdem der Gemeinderat der „Biowärme Markt Prien“ zugestimmt hat, das Biomasse-Heizwerk samt Brennstoff-Lager, die Nahwärme-Verteilung und kümmern sich mit um die Ressourcen. Im waldreichen Chiemgau sind die 10000 Tonnen Hackschnitzel pro Jahr nicht allzu schwer zu beschaffen, sagt Brodrecht. Es wachse mehr Holz nach als den Wäldern momentan entnommen werde, man habe Verträge mit dem Staat und vielen privaten Lieferanten.

Die Standortsuche für das Heizwerk sei nicht leicht gewesen . Schließlich habe man sich für einen Platz im Gewerbegebiet entschieden. Es hat Hanglage, deshalb könne man die recht großen Gebäude in den Hang hineinbauen und dadurch unauffälliger machen. Außerdem ergebe sich eine Route für die Liefer-Laster ganz außerhalb des Ortes.

Nicht nur Technik, sondern auch Wirtschaft sieht der Ingenieur hinter Projekten wie diesem. Brodrecht hat die Wertschöpfung ausgerechnet: „100 Millionen Euro bleiben dadurch in der Region“.

An der Vernetzung von neun europäischen Ländern von Island bis Rumänien ist GBI seit September auch beteiligt und arbeitet sozusagen als technische Schaltstelle mit den Geologen der Erlanger Uni zusammen. Es geht ebenfalls um umweltfreundliche Wärmegewinnung: Geothermie. Freilich nicht um aufwändige Tiefbohrungen, sondern um Erdwärmegewinnung aus maximal 10 Metern Tiefe — was relativ einfach und preiswert auch vom privaten Hausbauer zu machen ist. Voraussetzung: Sein Grundstück eignet sich dafür. Ausschlaggebend dafür sind wiederum Faktoren wie Grundstücksneigung, Sonneneinstrahlung und Regenmenge, aber natürlich auch die Beschaffenheit des Bodens, Korngrößen, Mischung der Mineralien.

Datensammlungen darüber besitzen geologische Institute der Universitäten. Die Erlanger Hochschule ist mit EU-Mitteln gefördert dabei, diese zusammenzubringen. Ziel: „ThermoMap“, eine Internet-Informationsquelle, die jedem Grundstücksbesitzer die Grundinformation liefert, ob Erdwärme für sein Haus in Frage kommt und wirtschaftlich ist. Den Prototypen, die Deutschland-ThermoMap, stellt GBI her. „Wir sind die Werkbank für die Erlanger Wissenschaftler“, sagt Reinhard Brodrecht nicht ohne Stolz, dass sein Büro damit auch in Brüssel bekannt wird.RAINER GROH