Lehrbeispiel Kräutergarten: So funktioniert Europa

9.11.2006, 00:00 Uhr
Lehrbeispiel Kräutergarten: So funktioniert Europa

Reinhard Schieck, im bayerischen Landwirtschaftsministerium für europäische Angelegenheiten und internationale Beziehungen zuständig, brachte eine sechsköpfige Regierungsdelegation aus der rumänischen Hauptstadt Bukarest mit an die Aisch. Außerdem im Schlepptau waren eine Dolmetscherin und Peter Selz, Baudirektor aus dem Amt für Ländliche Entwicklung in Oberbayern.

Was führte die hochkarätig besetzte Gruppe in die mittelfränkische Provinz? Nicht mehr und nicht weniger als das Kräuterprojekt, das mit Hilfe von EU-Fördermitteln an der Landkreisgrenze auf die Beine gestellt wurde. Dafür durfte die LAG im Frühjahr vom Landwirtschaftsministerium eine mit 15 000 Euro dotierte Auszeichnung für «zukunftsfähige Landnutzung“ entgegennehmen. «Wir suchen Projekte, die sowohl die breite Vielfalt in der Landwirtschaft repräsentieren als auch als beispielhaft gelten und auf andere Regionen übertragbar sind“, sagte Schieck, als er den Grund des Besuches erläuterte.

Dass die Gäste seines Ministeriums gerade aus Rumänien stammen, kommt nicht von ungefähr: Das Land wird am 1. Januar neues EU-Mitglied. Die Beamten, die in Bukarest in den Ministerien für Landwirtschaftliche Entwicklung und Finanzen mit leitenden Funktionen betraut sind, bereiten sich mit diesem Trip auf den unmittelbar bevorstehenden Beitritt vor. Es sind diejenigen, die im Bürokratieapparat die entscheidenden Weichenstellungen vornehmen sollen. Am Beispiel Bayern wollen sie erfahren, wie das EU-Recht im Bereich der Landwirtschaft gehandhabt und umgesetzt wird.

Auf dem Besuchsprogramm stand neben der Begrüßung, der Vorstellung des Kräuterprojektes und einer anschließenden Fragerunde im Uehlfelder Rathaus noch ein Rundgang durch den Kräutergarten in Vestenbergsgreuth und die Besichtigung einer mit Abwärme betriebenen Kräutertrocknungsanlage im Lonnerstadter Ortsteil Mailach.

Dass der Terminplan durcheinander geriet, lag nicht nur daran, dass «Kräuterfee“ Andrea Willner das Gesamtprojekt mit seinen Vernetzungen zwischen Anbauern, Verarbeitern und Kunden recht ausführlich erläuterte. Der Wagentross aus München hatte zuvor fast eine Stunde auf sich warten lassen und die Damen und Herren aus dem Beitrittsland zeigten sich anschließend überaus wissbegierig und diskussionsfreudig.

Welche Rolle denn die LAG bei der Einrichtung des Rundwegs gespielt habe, wollten sie wissen. Auch für die Struktur und Rollenverteilung in der Lokalen Aktionsgruppe interessierten sie sich. Was tut der Vorsitzende? Was der lokale und was der regionale Manager? Was versteht man unter Vertragslandwirtschaft? Wie bekommt man das Label für ökologischen Anbau, wie Öko-Zertifikate und wer bezahlt dafür?

Helmut Praus, selbst in Terminstress, musste schon fast zur Weiterfahrt nach Vestenbergsgreuth drängen. Den Kräutergarten konnten die Besucher nur noch bei Scheinwerferlicht und im Schnelldurchgang in Augenschein nehmen.

Was Andrea Willner in ihrem Engagement kaum beeinträchtigen konnte. Die 38-jährige Landwirtin, laut Praus «total mit Kräutern verwachsen“, gab unverdrossen einen Einblick in die Welt der Kräuter und Heilpflanzen, die dort seit gut einem Jahr heranwächst.

Auch hier erwiesen sich die Rumänen als überaus interessierte und beeindruckte Besucher. Was sie anschließend im Kräuterladen unter Beweis stellten, als sie sich reichlich mit Produkten aus dem Kräuterdreieck eindeckten. Der geplante Besuch in Mailach fiel schließlich dem Zeitdruck zum Opfer: Bamberg stand als abendliches Ziel auf dem Terminplan der Delegation.