Mosambik: Viele Talente und Hindernisse

19.6.2019, 11:20 Uhr
Mosambik: Viele Talente und Hindernisse

Dieses Mal wollte er sich sogar mit Nyeleti Mondlane, der Ministerin für Jugend und Sport, zum Vier-Augen-Gespräch treffen. Denn es wurmt ihn, dass der Leichtathletikverband des Landes "nichts auf die Reihe bringt". Müller: "Der Präsident repräsentiert gerne, arbeitet aber nichts." Und wo die Fördermittel vom Weltverband IAAF versickern, möchte er auch gerne wissen. Erneut hielt Müller einen dreiwöchigen Kurs für örtliche Trainer in der Hauptstadt Maputo ab – und erneut traf er auf ihm wohlbekannte Probleme.

So fehlt es an wichtigen Materialien. Wurfbälle gibt es zum Beispiel fast nirgends; dankbar nahmen die Trainer-Azubis seine Anregung auf, doch Socken mit Sand zu füllen. Steine erschienen ihm zwar prinzipiell geeignet, aber doch zu gefährlich.

Mosambik: Viele Talente und Hindernisse

© Foto: privat

Die finanziellen Nöte in einem Land, das erst im März von zwei Zyklonen heimgesucht wurde, die Beira, die zweitgrößte Stadt des Landes, fast komplett dem Erdboden gleich machten und von denen zwei Millionen Menschen betroffen waren, sind dem Herzogenauracher Sportlehrer bewusst. Diese aktuelle Naturkatastrophe sei aber nicht schuld am Organisationschaos des Leichtathletikverbands in der Hauptstadt Maputo, die von den Zyklonen komplett verschont geblieben ist.

"Es kann doch nicht sein, dass es keinerlei Wettkampfkalender in Mosambik gibt. Athleten und Trainer machen munter vor sich hin – und plötzlich wird irgendwo ein Meeting angesetzt. Und von einer Jahresplanung in Hinblick auf internationale Meisterschaften kann schon gar nicht die Rede sein", sagt Müller.

Kurzum: So kann es nicht weitergehen. Das Treffen mit der Ministerin, die Peter Müller bei seinem vorletzten Besuch 2017/18 schon kennengelernt hatte, war auch schon vereinbart, da musste kurzfristig ihre Mutter ins Krankenhaus. Stattdessen bekam der Gast aus Deutschland gleich zwei Gesprächspartner. Einen Direktor und eine Direktorin aus dem Ministerium von Nyeleti Mondlane.

Beide schienen, so Müller, durchaus aufmerksam seinen Ausführungen zu lauschen, der eine hatte offenbar schon gehört, dass es bei den Leichtathleten nicht rund laufe. So hofft Müller, dass seine Bitte, den Verband entweder auf Trab zu bringen oder die Spitze auszutauschen, auf fruchtbaren Boden fällt. Ebenso wie seine Forderung, dass der Staat, der betone, wie wichtig der Sport sei, etwas Geld in die Hand nehmen und ein paar hauptamtliche Verwaltungskräfte und Trainer bezahlen müsse.

"Es braucht eigentlich längerfristige Unterstützung in diesem Land", bilanziert der 58-Jährige nach seinem vierten Aufenthalt in Mosambik. Das müsse halt politisch gewollt und auch finanziert werden. Er selbst sei ja schon froh, dass die neue Leitung der Turnerschaft sein Engagement in Ostafrika unterstütze.

"Basisarbeit" machte er bei seinem Trainerlehrgang. Im August finden die landesweiten Schulmeisterschaften in Maputo statt, Lehrer, Uni-Dozenten und Studenten bildeten seine Gruppe. Und die lernten eben, wie man mit Zehn- bis 15-Jährigen trainiert, etwa entsprechend dem C-Schein in Deutschland. Sehr motivierte Teilnehmer habe er diesmal gehabt, alle hätten bestanden und ihm an den Lippen gehangen. "Am Ende des Kurses waren das fast wie Kinder für mich, die sind so herzlich und dankbar – das erlebe ich bei meiner Arbeit zu Hause eigentlich gar nicht mehr. In Maputo lege ich abends im Bett und denke mir jedes Mal: Heute hast Du etwas Gutes, etwas Sinnvolles gemacht."

Er sieht aber auch die Schattenseiten. So habe er an einem freien Tag einen Trainer beobachtet, den er einst selbst ausgebildet hatte. Der hatte ein 14-jähriges Mädchen in seiner Gruppe. "Eine Topfigur für eine Sprinterin", erkannte Müller sofort. Doch der Trainer triezte sie mit langen Tempoeinheiten, wollte sie – für den Fachmann viel zu früh – auf die 400 Meter ansetzen: "Da fehlt auch die Geduld, einen Sportler aufzubauen, man sieht nur schnelle Erfolge." Immerhin besitzt er so viel Autorität, dass der Trainer mit diesem Talent nun andere Wege geht. "Mal sehen, ob ich in ein, zwei Jahren von ihren Erfolgen erfahre", so Peter Müller.

Dieses Erlebnis sei bezeichnend, sagt er. Talente gebe es in Hülle und Fülle, die seien auch erfolgshungrig. Doch es fehle an geeigneten Rahmenbedingungen – sportlich wie organisatorisch.

Es gebe aber auch Glücksfälle wie Creve Machava, der seit Herbst bei der Turnerschaft trainiert. Der hat ein Stipendium vom IOC bekommen und wollte unbedingt zu Peter Müller. Der entdeckte das Talent des Sprinters für die 400 Meter Hürden, prompt knackte er in seinem allerersten Rennen die Norm für die Afrikaspiele. Ob das Land ihn wirklich dahin schickt ist, sei noch fraglich, hat Peter Müller recherchiert. Aber immerhin hat man vorsichtshalber schon einmal den Pass des Herzogenaurachers eingescannt – für die Akkreditierung: "Darf Creve nach Casablanca, bin ich auf jeden Fall dabei!"

Keine Kommentare