Nazi-Terror hinterlässt eine grausige Blutspur

14.6.2015, 07:45 Uhr
Nazi-Terror hinterlässt eine grausige Blutspur

© Foto: Grillenberger

Um ihre Horror-Vision zu verwirklichen, haben die Unverbesserlichen ein Netzwerk geschaffen, in das nur schwer einzudringen ist. Sie kommen nicht mehr als Glatzköpfe und in Springerstiefeln daher, grölen keine Menschen verachtenden Parolen und behalten ihre Meinung in der Öffentlichkeit für sich. Es sind von einem intelligenten „Kopf“ gesteuerte kleinste Zellen, die sich gegenseitig nicht einmal kennen, die aber eines gemeinsam haben: den ungezügelten Hass auf alles, was nicht deutsch ist, und die Bereitschaft, äußerst brutal vorzugehen. Und eine dieser Zellen, ein nettes Pärchen, hat sich ausgerechnet in Röttenbach niedergelassen. Natürlich Röttenbach, denn das Dorf zeichnet sich zwar nicht gerade durch eine extreme rechte Szene aus, ist aber Heimat von Werner Rosenzweigs Stammpersonal, wenn es um die Lösung besonders verzwickter Kriminalfälle geht. Kunigunde Holzmann und Margarethe Bauer, die beiden Miss Marple-Verschnitte, sind maßgeblich daran beteiligt, wenn, so viel sei verraten, am Ende wieder einmal alles gut wird. Sofern man bei rund 100 Toten überhaupt von „gut“ reden kann. Polizei und diesmal auch der Verfassungsschutz spielen eine ziemlich unrühmliche Rolle bei der zum Glück fiktiven Geschichte.

Aber genau genommen ist der Terror, der in dem Buch das Land überzieht, gar nicht völlig aus der Luft gegriffen, und Werner Rosenzweig hat sich die Story auch nicht nur aus den Fingern gesogen. Zu dem leider hoch aktuellen Thema angeregt wurde der Röttenbacher Autor durch das Buch „Die Zelle“, in dem die beiden Journalisten Christian Fuchs und John Goetz das Entstehen und die Entwicklung der NSU-Terrorzelle verarbeiten und von Beginn an schildern. Rosenzweig hat dann quasi die Fortsetzung geschrieben: „Ich habe mich gefragt, was passiert, wenn so ein Terrornetz nicht von Dilettanten, sondern von intelligenten und zu allem entschlossenen Profis aufgebaut wird“, sagt er und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass ein derartiges Terror-Netzwerk, das im Verborgenen agiert, nur schwer zu knacken ist. Auch in Röttenbach, wo die beiden Heldinnen der lokalen Krimiserie ebenfalls ziemlich lange brauchen, bis sie dem mörderischen Treiben der beiden nach außen netten Neubürger auf die Schliche kommen.

Aber nicht nur das Duo Holzmann und Bauer hat es nicht leicht, auch seinen Lesern fordert Werner Rosenzweig diesmal einiges an Nerven ab. Nicht nur wegen der blutigen Spur, die sich durch das gesamte Buch zieht, auch die detaillierten Schilderungen rechtsradikalen Gedankenguts und die Umsetzung des Terrors hinterlassen beim Lesen bisweilen ein schales Gefühl.

Denn auch vor der „ganz normalen Fremdenfeindlichkeit“, die natürlich auch über den Röttenbacher Stammtischen wabert und sich in den Wohnzimmern eingenistet hat, macht Rosenzweig nicht halt. Fakt oder Fiktion, wenn ein einfacher braver fränkischer Familienvater ausfällig wird, wenn sein einziger Sohn sich in eine „Türken-Schlampe“ verliebt? Fakt oder Fiktion, wenn der Vater des Mädchens dieser Liebe einen Riegel nach alter anatolischer Tradition vorschieben will? Ein richtig entspanntes unterhaltsames Lesen, wie man es bei Rosenzweig eigentlich gewöhnt ist, will bei der Lektüre von „Wir kriegen euch alle“ jedenfalls nicht so recht aufkommen. Dazu ist das Thema zu ernst. Lesenswert ist es auf jeden Fall, selbst wenn man es, bevor man wieder zur Tagesordnung übergeht, „nur“ zum Anlass nimmt, seine eigene Anschauung zu überdenken.

„Wir kriegen euch alle!“ ist im Engelsdorfer Verlag erschienen und kostet 18 Euro. Bezogen werden kann es direkt beim Autor (Martin-Luther-Weg 14), über amazon im Internet oder in der Buchhandlung Thalia in Erlangen.

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