Nummer 1 der Welt – dank Youtube

28.12.2018, 22:36 Uhr
Nummer 1 der Welt – dank Youtube

© Foto: Thomas Welker

Normalerweise lebt der 30-Jährige in Las Vegas, wo er regelmäßige Shows aufführt, in denen seine Kugeln über leicht geschürzte Damen, aber auch andere Accessoires fliegen und die vrrücktesten Bahnen über den Tisch ziehen. Aber auch im Gewerbegebiet an der Herzogenauracher Zeppelinstraße. beim Billardclub ‘97, fühlt er sich gleich zu Hause unter Seinesgleichen.

Der Verein hatte seine Mitglieder zu einem "Meet and Greet" mit dem Weltstar und dem deutschen "Altmeister" Ralph Eckert eingeladen. Und selbst die Aktiven des BC ‘97 kommen nicht aus dem Staunen raus. Vor allem, wenn "Venom" (englisch für "Gift") sein Stöße im Maschinengewehrtempo abfeuert. Sechs Mal steht er im Guinness-Buch der Rekorde, allein drei Mal für seine unfassbare Schnelligkeit.

75 Mal "Jumpshots" (ein anspruchsvoller Stoß, der den Spielball abheben lässt, um über einen oder mehrere Objektbälle zu springen) schaffte der gebürtige Franzose aus Straßburg in einer Minute – da kommt niemand in seine Nähe.

Im Trickstoß ist er seit einigen Jahren das Maß aller Dinge, wie sein Kollege Eckert berichtet: "Er hat einfach neue Maßstäbe gesetzt, seine Kreativität ist unerreicht – dabei geht er technisch immer ans äußerste Limit."

Und das Ganze, obwohl (oder weil?) er niemals "richtig" Billard gelernt hat. Erst mit 18 entdeckte er die Sportart für sich – im Internet. Er versuchte, die schwierigsten Stöße, die er auf Youtube sah, einfach nachzuspielen. Als seine Eltern ihn in einen Verein schickten, um die Technik schulbuchmäßig zu lernen und dort ein Trainer sich seiner annehmen wollte, schaltete Kohler auf stur und zog sein Ding durch.

Der Erfolg gab ihm letztlich recht. Allerdings mit kuriosen Begleiterscheinungen: Pool Billard, das eigentlich der Einstieg in die gesamte Disziplin ist, spielt er erst seit kurzem. Vor allem, weil er nach Shows von Zuschauern gerne einmal herausgefordert wird. "Da musste ich mir erst mal die Regeln erklären lassen", gibt er schmunzelnd zu. Fügt aber auch hinzu: "Ich denke, ich würde die meisten im Pool schlagen. Das ist wie der BMX-Fahrer, der die spektakulärsten Kunststücke in der Luft vollführt; der beherrscht das Rad ebenfalls perfekt. Um Wettrennen zu gewinnen, müsste er halt anders trainieren."

So sei es auch bei ihm: Er trainiere so intensiv seine Trickstöße, dass ihm manchmal die Finger bluteten. Für Pool bleibe da keine Zeit. Finanziell sei er zufrieden, Millionär könne man mit Pool-Billard zwar nicht werden, aber mit seinen Shows in Las Vegas habe er ein gutes Einkommen. Und Florian Kohler er ist der bekannteste seiner Branche: Fast 900 000 Abonnenten hat er auf Facebook, und auch auf Youtube gibt es keinen anderen Pool-Billardspieler, der ähnliche viele Follower hat.

Die Sportart leide noch immer unter ihrem schlechten Image – rauchende und trinkende Männer in Bars –, aber aktuell laufen Verhandlungen, ob Billard 2024 ins olympische Programm aufgenommen wird. Dann könnte "Venom" Bekanntheitsgrad noch einmal enorm steigen.

Nummer 1 der Welt – dank Youtube

© Foto: Thomas Welker

Das dürfte auch Ralph Eckert freuen, der mit seinen 53 Jahren zwar selbst als Olympionike nicht mehr in Frage kommt, aber als Trainer (auch mit Videos und Büchern) und professioneller Trickstoßspieler würde auch er vom einem Billard-Boom profitieren. Der Trickstoß-Weltmeister von 2004 ist im Gegensatz zu Kohler auch ein passionierter Pool-Spieler und immer noch in der 2. Bundesliga aktiv.

Kohler mag der Virtuose sein, Eckert ist der Entertainer, der bei seinen Lektionen die BC-Mitglieder in seinen Bann zieht. Da liegen "unlösbare" Probleme auf dem Tisch, und entgegen allen physikalischen Gesetzen fällt die Kugel dann noch ins angesagte Loch. Spontaner Beifall ist der Lohn.

Im Herzogenauracher Verein spielt niemand Trickstoß, mit Pool und Snooker ist man in den Verbandsrunden vertreten. Die beiden Stargäste im Rahmen der Qualifikationsturniere zur "German Tour" im Poolbillard (Bericht folgt) sind dennoch ein Highlight für den Vorsitzenden Klaus Richter und sein Team.

In seiner Begrüßungsrede betonte er, dass das "ganz im Sinne von Ulla gewesen wäre. Sie hat für Billard gebrannt". Ulla Reith ist die im Sommer 2018 im Alter von nur 46 Jahren verstorbene Cheftrainerin und 2. Vorsitzende des BC Herzogenaurach, der zu Ehren die "German Tour" heuer in "Ulla Reith German Pool Masters" umbenannt wurde.

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