Sechs Franken mittendrin im "Ally Pally"

30.12.2018, 14:33 Uhr
Sechs Franken mittendrin im

© Foto: Max Danhauser

UNTERMEMBACH — Sebastian Süß zielt, wirft und verfehlt sein Ziel nur knapp. Wenige Millimeter neben der Triple 20 schlägt der Pfeil ein. In seiner Wohnung in Untermembach hat der Darts-Fan eine Scheibe an der Wand hängen. Seit früher Jugend begeistert ihn der Sport, durch Fernsehübertragungen ist er erstmals damit in Berührung gekommen.

Doch erst kürzlich war der 22-Jährige auf einer ganz besonderen Reise: Zusammen mit fünf Freunden aus Herzogenaurach flog er nach London, zur Darts-WM. Ausgetragen wird diese seit 2007 von Mitte Dezember bis Anfang Januar im altehrwürdigen Alexandra Palace, von den Fans liebevoll nur "Ally Pally" genannt, im Norden Londons. Süß wird noch lange davon schwärmen.

Die Einschaltquoten explodieren, immer mehr Leute "pilgern" zur WM und die Anzahl der Events auf deutschem Boden steigt. Wie viel Aufmerksamkeit Darts mittlerweile besitzt, zeigen auch die Preisgelder: 2010 wurden noch eine Million Pfund vergeben, heute sind es 2,5 Millionen Pfund. Alleine dem Gewinner winkt eine halbe Million.

Vier Deutsche hatten sich heuer für das Turnier in London qualifiziert, mussten aber bereits früh ihren Hut wieder nehmen. Am längsten hielt sich der deutsche Spitzenreiter Max Hopp, schied aber gegen Titelfavorit und Weltranglistenersten Michael van Gerwen in der dritten Runde aus.

In einer Abend-Session Mitte Dezember sahen die sechs begeisterten Fans aus ERH neben der Legende Paul Lim auch einen der bekanntesten Sportler seiner Zunft: Peter Wright, auch genannt "Snakebite". Der Weltranglistendritte sticht durch seine markante Frisur aus Schlangenkopf und Irokesenschnitt immer hervor und gilt als einer der Publikumslieblinge der Szene. Überraschend schied er aber gleich in seinem ersten Match der diesjährigen WM aus.

Wer die TV-Übertragung an diesem Abend verfolgte, konnte die sechs Franken ausfindig machen: In ihren Jamaika-Kostümen und auf ihrem prominenten Platz direkt vor der Bühne waren sie nicht zu übersehen. Doch wieso solche Kostüme? Das ist Tradition beim Publikum der Darts-WM. "Man würde auffallen, wenn man sich nicht verkleidet", weiß Süß.

Und wie kommt man dazu, extra für ein paar Dartspiele nach London zu fliegen? Sicher gehört dazu eine gehörige Prise Begeisterung. Niclas Hagen, einer aus dem Sextett, schildert, dass er den Sport schon lange im Fernsehen verfolge. Dass man eine solche Atmosphäre also einmal live erleben möchte, liegt nahe. Der Ally Pally ist berühmt für seine Stimmung, und die "Jamaikaner" wurden nicht enttäuscht. "Im Ally Pally war’s sagenhaft", schwärmt Hagen.

Um dabei sein zu können, mussten sie sich früh um Tickets bemühen: Bereits im Sommer sind die meisten Karten schon vergriffen. Vier Tage Mitte Dezember verbrachte die "Delegation" aus der Region in London – wohl nicht zum letzten Mal. Denn die Gruppe plant schon für nächstes Jahr. Dann aber eher zu einer Partie ab dem Viertelfinale, "um vielleicht die ganz großen Stars zu sehen", erzählt Sebastian Süß.

Dass der Dart-Boom auch in unserer Region zu spüren ist, weiß Sven Steffen, Vorsitzender des Dart-Clubs Höchstadt. Steffen ist auch Präsident des Mittel- und Oberfränkischen Dartverbandes. Ein Verband mit beinahe 1000 Mitgliedern, der ständig wachse. Und der Boom halte an, jedes Jahr kämen neue Mitglieder hinzu. Einen Grund dafür sieht Steffen im Imagewandel. Man sei eben nicht mehr als "Kneipensport" verschrien. Wo man früher auf Turnieren noch Spieler mit Zigaretten und Bier am Board sah, herrscht heute Rauch- und Alkoholverbot. Auch setzte sich der Verband dafür ein, dass Dartsport irgendwann olympisch werde. Einen "Sport, der Zukunft hat", so Steffen.

Wer sich selbst schon einmal daran versucht hat, die Pfeile auf die Scheibe zu werfen, weiß, wie schwer es ist, genau die gewünschte Stelle zu treffen. Viel Technik, Konzentration und Übung sind dafür nötig. Was der Franke gerne mit "Spickern" abtut, ist in Wirklichkeit Hochleistungssport – in einer seiner filigransten Ausführungen. Steffen spielt seit vielen Jahren Darts, und genießt es, dabei abzuschalten. Denn dieser Sport sei Kopfsache, versichert der Experte.

Natürlich herrscht im "Ally Pally" auch Kneipenatmosphäre – aber nur bei den Fans. Da fließt das Bier in Strömen, die Masse grölt ausgelassen mit. Doch auf der Bühne herrscht Abstinenz und Konzentration. Dieser Kontrast macht den besonderen Reiz aus. Auch Promis sind im Publikum. So wurde im "Ally Pally" auch schon Julian Schieber gesehen, ehemals Fußballprofi beim 1. FC Nürnberg.

Wenn am Dienstagabend das Finale steigt, werden wieder Millionen Zuschauer an den TV-Geräten mitfiebern. Sebastian Süß wird ohne Zweifel auch dabei sein.

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