"Sicherer Hafen": Stadtratsmehrheit im zweiten Anlauf

31.10.2020, 06:00 Uhr

© Foto: Edith Kern-Miereisz

Der Vorstoß von Bündnis 90/Die Grünen und "Die Partei"  hatte zum Ziel, die Stadt möge der Initiative "Seebrücke – Schafft sichere Häfen" beitreten. Sie solle sich auf der Webseite der internationalen Bewegung (www.seebruecke.org) aus der Zivilbevölkerung, die sich für Flüchtlinge einsetzt, "sichere Fluchtwege" und eine "Entkriminalisierung der Seenotrettung" fordert, eintragen lassen. Unter anderem mit diesem Punkt hatten einige Stadträte Probleme.

Im Vorfeld hatten die Bündnisgrünen mit anderen Fraktionen das Gespräch gesucht, um dieses Mal auf einen positiven Beschluss hinzuarbeiten. Unter anderem die evangelische Kirchengemeinde und die Flüchtlingsinitiative hatten die Ablehnung "Sicherer Hafen" im Juli 2019 kritisiert.

Abgeschwächte Formulierungen

Mit abgeschwächten Formulierungen (gestrichen unter anderem: "alle zur Verfügung stehende Mittel") erklärte Holger Auernheimer, Fraktionssprecher der SPD, könne man zustimmen.

Für die CSU bekundete Walter Drebinger, nach einer Veranstaltung im Martin-Luther-Haus über die Situation der Flüchtlinge habe er zugesagt, sich für das Anliegen einzusetzen: "Wir wollen ein Zeichen setzen. Die Seebrücke ist für mich nur das Portal." Die CSU habe mit der Jungen Union "interfraktionell lange diskutiert. Wir stimmen nicht geschlossen ab"".

Argumente, die bereits beim Vorgänger-Beschluss genannt worden waren – "dies ist nicht unsere Aufgabe als Stadt" – zitierte Konrad Körner (JU) wiederum. Auch: "Jeder Mensch, der ertrinkt, ist einer zu viel." Er kündigte an, für den Antrag zu stimmen, wolle sich jedoch nicht mit der "Seebrücke" solidarisieren. Sein weiterer Antrag: In drei Teilen abzustimmen:

Für "Sicheren Hafen", für "Transparenz" der Handlungen der Stadt, auch gegenüber den europäischen Partnerstädten und über die ausführliche Darstellung ("Prolog") der Ziele von Seebrücke. Diesem Prozedere wurde mehrheitlich gefolgt.

Körner: "Seebrücke will mehr, das ist für mich Aufruf zum Rechtsbruch" auch hinsichtlich der Gesetze der EU. Obwohl sich die Stadt für den Klimaschutz einsetze, so sein Vergleich, trete sie nicht Greenpeace bei.

"Positives Feedback"

Für die Freien Wähler kündigte Manfred Welker an, im Grundsatz zuzustimmen: "Man hört in der Bevölkerung ein positives Feedback."

Ablehnung bekundete der Einzelstadtrat der AfD, Roland Reichelsdorfer: "Es ist nicht unsere Aufgabe zu entscheiden, welche Politik die EU betreibt." Dies seien "Lippenbekenntnisse".

Die Sichtweise von Körner teilte auch Michael Dassler (FDP): "Herzogenaurach war immer eine offene Stadt. Mit der Seebrücke will ich mich nicht identifizieren." Explizit unterstrich er, er wolle "nicht hingestellt werden, dass ich gegen Flüchtlinge bin". Die Bitte des evangelischen Kirchenvorstands, der Seebrücke beizutreten, gab Sandra Wüstner (SPD) weiter. Mark Deavin von den Bündnisgrünen plädierte dafür "ein Zeichen für Menschenrechte zu setzen".

Den Konflikt, Menschlichkeit zu zeigen und vielleicht ein falsches Signal an Fluchthelfer zu senden, sprach Stephan Wirth (CSU) an. Er werde erneut dagegen stimmen.

Eine geänderte Meinung ließ Bürgermeister German Hacker erkennen: "Die EU-Grenzen zu öffnen, konnte ich nicht mittragen. Eine Grenze ist eine Grenze." Auch die Kosten könnten nicht bei einer kreisangehörigen Stadt bleiben. Trotzdem sollten Flüchtende unterstützt werden und Fluchtursachen bekämpft.

"Ein Appell an die Bundesregierung wäre für mich der richtige Weg", äußerte sich Bernhard Schwab (CSU). Die Initiatoren des Antrags hätten auch auf Konrad Eitel von der Flüchtlingsinitiative zugehen können, die noch immer Probleme habe, Flüchtlinge vor Ort unterzubringen.

Mit Applaus bedacht wurde hingegen der Redebeitrag von Thomas Kotzer (CSU): "Wir sind eine weltoffene Stadt. Wenn manche mittellos kommen, haben manche Kopfschmerzen. Wir können nicht wegschauen, müssen mithelfen."

Den "Flügelschlag des Schmetterlings" als Parabel für Wirkungen auch kleiner Gesten zitierte Retta Müller-Schimmel (Bündnisgrüne), die den Antrag vorangetrieben hatte: "Wenn es Menschen woanders gut geht, wirkt das auch auf unsere Kinder." 203 Städte hätten sich bereits entschlossen, Teile der Forderungen von Seebrücke zu unterstützen.

Das Statement von Claudia Belzer (SPD) schließlich erhielt viel Klopfbeifall: "Wir wollen Druck aufbauen und sollten uns ein Herz fassen. Dies ist kein Pakt mit dem Teufel, sondern ein Zeichen von unten nach oben."

Mit 18 gegen zehn Stimmen wurde verabschiedet, dass die Stadt Herzogenaurach Teile der Forderungen der Initiative "Seebrücke" unterstützt, sich für eine menschenwürdige Aufnahme Schutzsuchender einsetzt und ihre Handlungen dazu transparent macht.

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