Sinnvoll und spektakulär

2.4.2019, 07:00 Uhr
Sinnvoll und spektakulär

© Foto: Sonja Och

Bei vielen Sportarten kann man an deren Sinnhaftigkeit zweifeln. Da muss man gar nicht zur Formel 1 schauen, wo völlig unpraktische Autos im Kreis rasen, Menschenleben gefährden und dabei auch noch die Luft verpesten. Harmloser ist Fußball, obwohl da 22 Mann einem Ball hinterherrennen und sich dabei in die Haxen treten und unfreundliche Dinge zurufen.

Da muss man die Rettungsschwimmer loben, denn sie tun etwas sehr Sinnvolles. Im Ernstfall – und den gibt es angesichts immer mehr Nichtschwimmern in der Bevölkerung leider allzu oft – können die Fähigkeiten, die sie einüben, Menschenleben retten.

Am besten in Mittelfranken und sogar ganz Bayern können das die Rettungsschwimmer aus Herzogenaurach. Zuletzt drei Mal in Folge standen sie im Freistaat ganz oben in der Vereinsrangliste.

Das liegt laut Pressewartin Gisa Blumenthal vor allem am guten Trainerteam unter der jungen Cheftrainerin Sabine Nordhardt (28 Jahre). Diese jedoch lobt auch die Rahmenbedingungen in der Aurachstadt: "Die Mitglieder unserer ersten Mannschaft können bis zu fünf Mal in der Woche trainieren." Von Vorteil ist da die Trainingsgemeinschaft des Schwimmvereins Delphin 1977 mit der DLRG. Denn die Aktiven sind nahezu deckungsgleich.

Sinnvoll und spektakulär

© Foto: Sonja Och

Die Konkurrenz im Bezirk beispielsweise besteht überwiegend aus reinen DLRG-Ortsvereinen. Deren Hauptaufgabe ist es oft, an Gewässern Aufsicht zu halten. In Herzogenaurach hingegen müssen die DLRG-Mitglieder sich zwar am Wachdienst im "Atlantis" und im Freibad beteiligen, aber einen See oder ein Flussbad gibt es eben nicht.

Und so könne man sich eben besonders gut auf den Wettkampfsport konzentrieren. Sabine Nordhardt: "Man merkt schon, dass unsere Sportler fast alle vom Schwimmen kommen und daher die Grundlagen mitbringen, die unentbehrlich sind für die Disziplinen des Rettungsschwimmens."

Peter Opitz, mit 22 Jahren ebenfalls noch sehr jung, ist der Verantwortliche für die Bezirksmeisterschaft, die mit rund 300 Startern im Durchschnitt der vergangenen Jahre liegt. Die einzelnen Rennen sind dicht getaktet, damit man am Vormittag die Einzel- und am Nachmittag die Staffelwettbewerbe auch über die Bühne bringt. Aber er kann sich in der Schwimmhalle auf ein eingespieltes Team von allein 35 Kampfrichtern und nochmals so vielen Helfern bei Verkauf und vielen anderen Aufgaben verlassen.

Körperlich hart ran müssen beispielsweise die Ehrenamtlichen, die nach jedem Lauf die 76 Kilogramm schweren Puppen mit einem Seil am Beckenrand entlang wieder an die richtige Position schleppen müssen. Angesichts der feuchtwarmen Luft echt schweißtreibend.

Für die Sportler geht es um Medaillen, aber auch um ihre Einsatzfähigkeit im wahren Retter-Leben. Daher müssen alle DLRGler einmal im Jahr die Kombinierte Rettungsübung mit Herz-Lungen-Wiederbelebung absolvieren. 20 Meter Schwimmen, dann einen Ring vom Boden holen. Kaum aufgetaucht, wird man von hinten umklammert, muss sich aus diesem Griff befreien, dann diese (ertrinkende) Person abschleppen, sie ans Land bringen, in die stabile Seitenlage bringen und dann mit der Herz-Lungen-Wiederbelebung beginnen.

Das sind die Ernstfälle, doch im "Atlantis" geht es zu wie bei jeder anderen Sportveranstaltung auch. Da wird lautstark angefeuert (vor allem bei den Staffeln wird der Lärm in der Schwimmhalle ohrenbetäubend) und um jede Zehntelsekunde gekämpft. Gestoppt wird dennoch mit der Hand. Organisationschef Opitz: "Das haben wir schon im Griff, am Ende steht immer der Richtige oben auf dem Siegerpodest."

Die Altersspanne der Starter reicht von sieben bis über 70 – da ist Lokalmatador Peter Stockhammer zu nennen, der es als Schwimmer sogar schon zu internationalen Medaillen gebracht hat. Aktuell sind seine jungen Vereinskameraden zwar als Gruppe sehr stark, aber einen Nachfolger von Tarik Boerner, der es in den 1990er Jahren ins Nationalteam schaffte und an Weltmeisterschaften teilnahm, sieht Trainerin Sabine Nordhardt derzeit nicht: "Wir sind zwar in Bayern top, stoßen aber auf Bundesebene auf unsere Grenzen, selbst wenn vor drei Jahren mal eine U 12-Staffel von uns bei der deutschen Meisterschaft auf dem Podest stand. Bei uns ist das Ganze eher ein Breitensport, in den nördlichen Bundesländern, die ja auch am Meer liegen, hat die Sportart einen ganz anderen Stellenwert."

Weltweit jedoch geben nicht die Deutschen, sondern Länder wie Australien und die USA den Ton an. Dort ist das auch ein Zuschauersport – "Baywatch" lässt grüßen.

In Herzogenaurach ist das "Aufgschau" deutlich geringer, obwohl Sabine Nordhardt findet, "dass unser Sport spektakulärer ist als das normale Schwimmen". Aber auch ohne TV-Präsenz und olympische Weihen kann man sich sicher sein: Die Rettungsschwimmer von der DLRG verstehen ihr Handwerk sehr gut. Und angesichts der jungen und engagierten Funktionäre muss einem um den Retter-Nachwuchs nicht bange sein: Allein ein Dutzend Staffeln stellten sich im "Atlantis" den Gegnern. Höchst erfolgreich wieder einmal (siehe nebenstehenden Kasten).

 

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