Spaß an der Vielfalt

25.9.2016, 20:39 Uhr
Spaß an der Vielfalt

© Foto: Meschede

Vor zweieinhalb Jahren hat er erstmals reingeschnuppert beim TSV Burghaslach. Zuvor war er Rechtsaußen bei den Fußballern des TSV Aschbach in der Kreisklasse Bamberg 3. Kein Torjäger, wie er selbst sagt, aber natürlich ein extrem schneller Mann auf dem Flügel.

Doch er wollte unbedingt mal was Neues ausprobieren und versuchte es mit Leichtathletik. In Burghaslach nahm er am normalen Mehrkampftraining teil. Ein erster Dreikampf verlief recht erfolgreich. Dann ein größerer Wettkampf in Veitsbronn. Seine Vereinskameraden wollten in einem Rennen über 800 Meter mit eigens eingesetztem Hasen Qualifikationsnormen laufen. Neuling Schneider durfte aber nicht mitmachen, man hatte Angst, dass er ohne jede Erfahrung im Gerangel jemanden zu Fall bringen oder verletzen könnte.

So wurde der Quereinsteiger über 400 Meter gemeldet – da läuft jeder auf seiner eigenen Bahn. Das Ergebnis war überwältigend: 50,67 Sekunden bedeuteten klar die Norm zur bayerischen Meisterschaft, die bei 52,50 lag. „Zu so einer Meisterschaft wollte ich schon immer.“ Bei der „Süddeutschen“ im gleichen Sommer läuft er schon 48,60 Sekunden und holt Silber.

Im gleichen, atemberaubenden Tempo geht es – nach dem zwischenzeitlichen Wechsel zum LAC Quelle Fürth – weiter an die deutsche Spitze. 2015 bei der DM in Nürnberg ist er noch stolz darauf, überhaupt dabei zu sein, obwohl er in der Vorrunde rausfliegt. Danach kickt er sogar noch die Hinrunde bei seinen Aschbacher Fußballern mit.

2016 wird endgültig sein Jahr: Ins DM-Finale will er, doch es wird viel mehr: Mit 46,07 Sekunden ist er drittschnellster Deutscher, auch bei der DM in Kassel holt er Bronze und ist damit natürlich gesetzt für die deutsche Staffel bei der Europameisterschaft in Amsterdam – der bisherige Höhepunkt seiner Laufbahn. Das deutsche Quartett läuft taktisch nicht clever, wie Schneider findet, wird nur Achter und verpasst damit das Olympiaticket.

Traurig ist er keine Sekunde darüber. Schon das bisher Erreichte fühlt sich ein wenig unreal an für den Senkrechtstarter aus dem Steigerwald, der inzwischen in Nürnberg wohnt und in Herzogenaurach bei Puma arbeitet. Denn er hat keine leichte Kindheit hinter sich. In Ansbach geboren, hat er seinen Vater nie kennengelernt. Farbig muss er sein, mehr hat die Mutter nicht verraten, die mit ihren beiden Jungs nicht zurechtkommt. Patrick kommt mit neun Jahren in eine Pflegefamilie in den 29-Einwohner-Weiler Kleinbirkach (ein Ortsteil von Ebrach ganz in der Nähe des Drei-Franken-Steins). Und erlebt, dass man auf dem Land anfangs mit seiner Hautfarbe zum Teil noch ein Problem hat. „Heute kann ich drüber lachen, aber es hat ein paar Jahre gedauert, mich daran zu gewöhnen.“ Dann zieht er nach Aschbach, wo eine ungewöhnliche Sportlerkarriere ihren Lauf nimmt.

Und weil er kein 08/15-Typ ist, reizte ihn der Zehnkampf, „weil ich einfach mal alle Disziplinen ausprobieren wollte“. Stabhochsprung hatte er vor dem Sonntag noch nie probiert, auch Speer und Diskus hatte er jeweils zwar mal in der Hand gehalten, aber noch nie versucht, die unbekannten Flugobjekte so weit wie möglich zu werfen. Und vor den 1,07 Meter hohen Hürden hatte er ordentlich Respekt.

Wenn es aber nur ums Laufen ging, machte ihm keiner etwas vor: Die 100 Meter in 11,11 waren neuer Meetingrekord, doch wenn es nicht schon der Saisonausklang gewesen wäre, hätte der 21,02-Sprinter über 200 Meter sicherlich noch mehr drauf gehabt. 49,11 Sekunden über die 400 Meter waren für ihn wohl nichts Besonderes, aber mit diesem Meetingrekord schnappte er sich sogar die Führung zur Halbzeit des Zehnkampfs.

Aber der zweite Tag ist bei den nicht so erprobten Sportlern gefürchtet: Hürdensprint, Diskuswurf und Stabhochsprung und Speerwurf sind die technisch anspruchsvollen Aufgaben für Schneider, ehe zum Schluss mit den 1500 Metern wieder vertrautes Terrain auf den Läufer wartet.

Aber der Spezialist hat weiterhin seinen Spaß, lässt sich gerne und mit großer Neugier von Marc Hoseus die Grundzüge des Diskuswerfens und von Philipp Struß das Stabhochspringens zeigen. Man sieht: Der Mann kommt vom Fußball und ist ein Teamplayer. In der Zehnkampffamilie fühlt er sich gleich zu Hause.

A Ende zweier langer Tage beweist der Sprinter Stehvermögen, hält den Zahnkampf durch und darf sich jetzt „König der Athleten“ nennen. Mit 5248 Punkten verpasst er als Vierter das Treppchen in der Herrenkonkurrenz nur knapp.

 

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