Steppach: Seit 40 Jahren arbeitet sie mit Kindern

27.9.2019, 06:57 Uhr
Steppach: Seit 40 Jahren arbeitet sie mit Kindern

© Foto: Kirchengemeinde

Frau Stecklina-Seppel, in ihrer Anfangszeit waren noch wenige Frauen berufstätig, über mittags gingen die Kinder zum Essen nach Hause. Die Familienstrukturen haben sich enorm gewandelt, wie wirkt sich das auf die Kindergärten aus?

Früher kamen die Kinder zu uns, um viel drinnen mit besonderen Spiel- und Bastelsachen zu hantieren, die es daheim nicht gab. Heute verbringen viele Kinder sehr viel längere Zeit in der Einrichtung, wir sind oftmals neben den Eltern die wichtigsten Bezugspersonen. Die Kinder bringen heutzutage als Individuen viel mehr Eindrücke und Erfahrungen mit, die in unseren Alltag und unsere Rituale einfließen.

Jeder soll hier spüren: Ich bin so in Ordnung, wie ich bin, ich werde angenommen und geschätzt. Diese Herzensbildung steht nach wie vor an erster Stelle! Wie früher bleibt auch die Vermittlung von Werten, bei uns im evangelischen Kindergarten insbesondere christlichen Werten, die Wertschätzung des anderen oder der Natur sehr wichtig. Die Kinder sollen viel Zeit draußen verbringen, da ist unser großer Garten ein richtiges Glück.

Ein kleiner Teil davon wird ab dem Herbst für einen neuen Anbau verwendet, es soll Platz für eine dritte Gruppe und zusätzliche Räume wie ein Kinderbistro oder ein Elternzimmer geben.

Ja, denn auch die Eltern sollen sich angenommen fühlen, Zeit und Raum für Gespräche mit uns Erziehern oder untereinander haben. Der ehrliche Austausch, auch im Team, ist die Voraussetzung für ein vertrauensvolles Miteinander.

Ich habe das Glück in und mit einem Team arbeiten zu dürfen, das sich größtenteils schon sehr lange kennt, wir haben viele schwierige Aufgaben gemeinsam gemeistert und uns gemeinsam weiterentwickelt. Dafür bin ich sehr dankbar und auch, dass ich durch viele Fort- und Weiterbildungen immer wieder meine Perspektive ändern und dazulernen durfte.

 

Lernen ist ein gutes Stichwort: Was möchten Sie den Kindern denn neben den bereits erwähnten Werten vor allem vermitteln?

Genauso wichtig wie im Team und in Gesprächen mit den Eltern, ist es den Kindern gegenüber ehrlich und authentisch zu sein. Sie haben ein besonderes Feingefühl und spüren sofort, wenn etwas anders gemeint ist als gesagt. Den richtigen Ton zu treffen, höflich zu sein oder jemandem seine volle Aufmerksamkeit zu widmen, zuzuhören und sich wirklich Zeit zu nehmen – das sind Umgangsformen und Werte, die wir nicht nur vermitteln, sondern auch tagtäglich vorleben wollen. Kinder dürfen auch unsere Unzulänglichkeit spüren oder sehen, dass wir Fehler machen. Sie brauchen ihre Aufgaben, wollen Bestätigung erfahren und müssen auch wissen, dass sie vermisst werden, wenn sie einmal fehlen. Um wirklich jedem einzelnen Kind gerecht zu werden, arbeiten wir sehr viel in kleinen Gruppen, dafür haben wir nach dem Umbau noch mehr Platz und Möglichkeiten.

 

Klar, jedes Kind ist anders, aber gibt es einige Ratschläge, die allen Eltern helfen könnten?

Ich beobachte, dass bei all der Ratgeberliteratur, der Zunahme digitaler Medien und dem regen Kontakt und Vergleichen untereinander viele Eltern stark verunsichert sind. Dabei bin ich fest davon überzeugt, dass jede Mutter und jeder Vater das Beste für sein Kind will und auch der beste Experte für sein Kind ist. Vertrauen Sie Ihrem Gefühl! Ich vergleiche das oft mit dem Überqueren eines Flusses auf einer Brücke: Eltern sorgen für das Geländer, setzen dadurch Grenzen und geben Halt, aber gehen muss das Kind schon selbst und auf seine eigene Weise. Und auch einen Montessori-Grundsatz würde ich allen Eltern ans Herz legen: Konzentrieren Sie sich auf die Stärken und das Positive, dann können sich Probleme von ganz alleine lösen.

 

Wenn Sie zurückdenken, warum Sie sich für diesen Beruf entschieden haben, und wenn Sie vergleichen, wie es heute ist: Haben sich die Erwartungen von damals erfüllt?

Auf jeden Fall, ich wollte einfach bei Kindern sein und mit ihnen die Welt entdecken. Kinder haben nach wie vor so viele Ideen und Begabungen, so viel Begeisterungsfähigkeit und Freude, sie geben so viel Liebe. Der lange Arbeitstag kann noch so anstrengend gewesen sein, am Ende fühle ich mich gestärkt von der wertvollen Zeit, die ich mit den Kindern verbringen durfte. Manchmal ist es erschreckend, wie der Verwaltungsaufwand zunimmt, wie viel Zeit die Koordination zum Beispiel mit Frühförderstellen, Schulen oder Fachdiensten in Kauf nimmt. Am Wichtigsten sind und bleiben für mich aber die Kinder, sie sind eine immer sprudelnde Kraftquelle.

 

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