Suchtkrank im Alter

5.3.2015, 21:09 Uhr
Suchtkrank im Alter

© Foto: Ralf Rödel

Suchtkrank im Alter

© Foto: Ralf Rödel

Angelika Schäfer weiß, wie knapp es für sie war. „Ohne die Laufer Mühle wäre ich heute tot“, sagt die 75-Jährige. Vor 25 Jahren ist sie eine der ersten Bewohnerinnen der Einrichtung für Suchtkranke im Adelsdorfer Ortsteil Lauf. Damals ist sie 50 Jahre alt. Seit 28 Jahren trinkt sie, hat lange Aufenthalte in Krankenhäusern hinter sich. „Ich war völlig fertig“, erinnert sie sich. Und: „Ich war kein leichter Fall.“

Auch in Lauf sollte am Anfang alles nach ihrem Kopf gehen, erzählt sie. „Ich war immer sehr frech“. Doch die Therapie hilft ihr. Statt leeren Flaschen, sammelt sie anfangs noch Kleidungsstücke und Stoffe. Eine Zeit lang hat sie 40 Bettlaken übereinander auf ihrer Matratze. Auch diese Kompensation lässt irgendwann nach. Inzwischen steht für Angelika Schäfer fest: „Die Laufer Mühle ist meine Heimat und hier möchte ich bleiben, so lange ich kann.“

Wenn die 75-Jährige nicht pflegebedürftig wird, dann ist das auch möglich. Ein Seniorenheim ist keine Alternative. „Sie braucht das suchtfreie Umfeld und die Tagesstruktur“, sagt Krankenschwester Inge Weber.

Derzeit leben 52 Menschen in der Laufer Mühle, die älter als 50 Jahre alt sind. „Unser ältester Bewohner wird heuer 80“, sagt Weber. Viele von ihnen gehen in den hauseigenen Betrieben noch einer Beschäftigung nach. Angelika Schäfer geht jeden Morgen von 8 bis 11 Uhr arbeiten in der Kreativwerkstatt. Sie verpackt Nadeln. Helga Seitler, die ebenfalls schon seit Beginn an in der soziotherapeutischen Einrichtung lebt, beschäftigt sich in der Wäscherei. Andere Möglichkeiten bieten der Garten, der Brotofen oder die Küche.

„Jeder kann sich in die Gemeinschaft einbringen“, erklärt Geschäftsführer Michael Thiem beim Besuch der bayerischen Gesundheitsministerin. Melanie Huml interessiert sich für die Therapieansätze und für die Lebensgeschichten der Bewohner. „Bekanntlich bin ich gerade schwanger und da begegnet mir auch oft die Situation, dass mir Alkohol angeboten wird, obwohl das für mich gar nicht in Frage kommt“, sagt sie.

Wie ist Angelika Schäfer so stark geworden, dass sie inzwischen „nein“ sagt? „Mir hilft die Therapie und die Begleitung im Alltag“, sagt die 75-Jährige. Außerdem profitiert sie vom Leben in der Gemeinschaft. Zu ihrer Familie hat die gebürtige Dessauerin keinen Kontakt mehr. „Aber hier habe ich meine Wurzeln gefunden.“

Umgang mit dem Tod

In der Lebensgemeinschaft spielt auch der Tod eine wichtige Rolle. Angelika Schäfer verbringt viel Zeit auf dem Friedhof. „Hier sind viele Menschen, die mir sehr wichtig sind“, erzählt sie. Denn in 25 Jahren hat sie natürlich auch viele gehen sehen. „Aber es wird niemand vergessen“, versichert Krankenschwester Inge Weber. „Wir achten darauf, dass wir die Bewohner beim Sterben begleiten und sehr persönlich beerdigen. Das Totengedenken ist uns sehr wichtig.“ Deshalb arbeitet die Laufer Mühler auch eng mit der Palliativstation des Krankenhauses in Höchstadt und mit dem Hospizverein zusammen.

In den vergangenen zehn Jahren, berichtet Michael Thiem, kommen immer häufiger Vertreter von Seniorenheimen auf die Laufer Mühle zu, weil sie nicht wissen, wie sie mit suchtkranken Bewohnern umgehen sollen. Schließlich meldet die Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DHS) , das bei zehn Prozent der über 60-Jährigen der Umgang mit Alkohol „besorgniserregend“ ist.

Medikamentenmissbrauch ist in diese Zahlen noch nicht eingerechnet. Thiem: „Die ältere Generation wird von der professionellen Suchthilfe nicht erreicht.“ Deshalb hat das Gesundheitsministerum jetzt auch das Modellprojekt Netzwerk 40+“ begonnen, über das Melanie Huml in Lauf dann noch berichtete.

Illegale Drogen

Die Mühle profitiert davon nicht. „Wir brauchen hier auch keine Fördergelder“, sagt Thiem. Er begrüßt das Programm. In Bayern zählen laut Huml bis zu 10 000 Menschen zu der Zielgruppe. Bestehende Angebote der Suchthilfe sollten im Rahmen von „Netzwerk 40+“ an die Bedürfnisse von Menschen mit einer langjährigen Abhängigkeit von illegalen Drogen angepasst werden.

Das Ministerium unterstützt das Projekt mit 224 000 Euro. Es wird unter Federführung des Paritätischen Wohlfahrtsverbands für zunächst zwei Jahre beim Verein Condrobs in München, bei der Drogenhilfe mudra in Nürnberg und der Drogenhilfe Schwaben in Augsburg durchgeführt. „Suchtprobleme bei älteren Menschen bleiben viel zu oft verborgen oder werden von den Angehörigen hingenommen“, sagt Huml.

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