Ungewohnte Rollen

26.6.2014, 17:34 Uhr
Ungewohnte Rollen

© Rurik Schnackig

Natürlich kann man im Unterricht darüber sprechen, was es bedeutet, auf einen Rollstuhl angewiesen zu sein. Aber weitaus effektiver ist es, selbst mal im Rolli Platz zu nehmen und verschiedene Situationen aus dieser Perspektive zu erleben. Alfred Sammetinger, Schulleiter der Grundschule Aurachtal, hat sich zu diesem Zweck Ulrich Nüßlein eingeladen.

Nüßlein ist Sportlehrer des Berufsbildungswerkes Rummelsberg und kommt gleich mit einem Lieferwagen gefüllt mit Rollstühlen an die Schule. Die Schüler merken gleich, dass er zwei unterschiedliche Ausführungen mitgebracht hat. Erst mal aber ist die ganz normale Version gefragt.

Damit wird der Alltag getestet. Nüßlein und sein Assistent und Azubi Tobias Parzefall haben dazu einen Parcours im Pausenhof aufgebaut, den im Lauf des Vormittags jeder Schüler durchfahren wird — hinterher ist jeder um mindestens eine Erfahrung reicher.

Denn ein unscheinbares, buchdickes Brett am Boden wird plötzlich zum schier unüberwindbaren Hindernis. Die Vorderreifen wollen nicht drüber. Ein Zweitklässler probiert es, in dem er sich nach hinten lehnt, um die Räder anzuheben — und ist dann froh, dass sein Mitschüler hinter ihm steht. Der Rollstuhl war dabei, zu kippen.

So viel zu den Schwierigkeiten im Alltag. Dass dennoch auch im Rollstuhl vieles möglich ist, erleben die Schüler, als sie in die Turnhalle wechseln. Die Rollis hier sehen gleich viel sportlicher aus. Fünf Räder zählen die Schüler hier und die zwei größten sind dynamisch schräggestellt.

Sportlichkeit mit hohem Preis

Umkippen? Unmöglich. Die Schüler versuchen es, doch der Rollstuhl ist nicht aus der Balance zu bringen. Dafür hat das Gerät auch einen stolzen Preis: 4500 Euro pro Exemplar müsse man rechnen, erklärt Nüßlein.

In ersten Versuchen beschleunigen die Schüler, bremsen, sausen in die Kurven und stoßen auch schon mal zusammen. Das Bild erinnert an die Autoscooter beim Jahrmarkt.

Dann bringt Nüßlein den Ball ins Spiel. Hier ist vor allem das schnelle Drehen und das Passen erforderlich. Denn wer den Ball in beiden Händen hält, hat aus dem Stand freilich keine Chance mehr voranzukommen.

Völlig unbefangen und locker gehen die Kinder an diese ungewohnten Aufgaben heran. Keiner findet es komisch, im Rollstuhl zu sitzen, niemand hat Scheu, dort Platz zu nehmen. Schulleiter Sammetinger wagt schließlich auch eine Testfahrt. Am Ende sind die 45 Minuten, die jede Klasse zur Verfügung hat, viel zu schnell vorbei, wie alle bedauern.

Nüßlein hat zum Schluss noch eine Botschaft: „Menschen im Rollstuhl sind genauso Menschen wie ihr auch“, sagt er. Die Schüler haben’s selbst erfahren.

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