Vom Zerstörer zur Schulfregatte „Brommy“

26.9.2011, 14:27 Uhr
Vom Zerstörer zur Schulfregatte „Brommy“

© privat

Seit 1943 fuhr sie als Geleitzerstörer bei der Royal Navy. 1957 – jetzt benannt nach dem Befehlshaber der deutschen Reichsflotte, Konteradmiral Brommy – übernahm sie die Bundesrepublik als Schulfregatte F218 im Zuge der Wiederbewaffnung. 1965 außer Dienst gestellt, diente sie 1972 bis 1977 in der Biskaya als Zielschiff für Torpedos von Schnellbooten oder Bomben von Tieffliegern, 1979 wurde die „Brommy“ abgewrackt.

Vom Zerstörer zur Schulfregatte „Brommy“

© Jungfer

Bei der Musterung gefragt „Wohin?“, antwortet Rekrut Hans-Jürgen Brieger keck: „Zur Marine“. Dabei waren seine Eltern mit ihm aus Schlesien geflüchtet, haben in Frauenaurach Zuflucht gefunden. Brieger ist eine typische Landratte, kann weder schwimmen noch mag er Fisch. Am 2. Juli 1962 rückt er dennoch ein zum Ausbildungsbataillon der Bundesmarine, wo er bis 31. Dezember 1964 Dienst leistet.

Auf dem Schiff als Maschinist eingeteilt, absolviert er zunächst drei Monate Grundausbildung als Infanterist, denn im Ernstfall hätte Brieger in der Marine-Infanterie kämpfen müssen, damals, zu Zeiten des „Kalten Kriegs“ zwischen Ost und West. 1962 gibt es die gefährliche Kuba-Krise.

Erste Fahrt mit Pannen

Weitere drei Monate vergehen mit der technischen Marineschulung, bis endlich am 7. Januar 1963 Briegers Bordzeit beginnt. Im Kriegsfall würde die Fregatte als U-Boot-Jäger eingesetzt, ist deshalb unter dem Kiel auch mit einem Sonar-Dom ausgestattet. Mit Pannen geht die erste große Fahrt vom Heimathafen Flensburg aus in die Ostsee: Briegers Seesack samt Ausrüstung ist nicht an Bord, wird später nach Portsmouth nachgeliefert.

Dazu gibt es draußen dicke Eisschollen, die den Kühlwassereinlass blockieren und zur Gefahr für den Kondensator werden. Bei Überhitzung würde der Kessel explodieren. Also schleppt sie ein Eisbrecher.

Unten im Maschinenraum ist der junge Rekrut für die Geschwindigkeit der Fregatte zuständig. Er bedient die Steuerventile der Turbinen nach Befehl über den Maschinentelegrafen. Bei 36 Grad arbeitet er unter Deck, wo die Heizer noch mit Heizöl Dampf erzeugen. Dennoch besteht der Schutzanzug aus Leder. Es riecht nicht gut.

Das Bordleben ist gewöhnungsbedürftig. Wasser zum Duschen gibt es nur im Hafen, die Toiletten haben „Western“-Türen, bei der Grundausbildung begnügt man sich mit dem bekannten „Donnerbalken“. Zu acht leben die Mannschaften in einem Raum, schlafen, essen, haben dort Freizeit und sogar Unterricht.

Die Neuen bekommen statt einer Koje zunächst Hängematten, bis andere Neue kommen. Wer neu ist, muss auch eine Kiste Bier bezahlen und eine Woche lang als „Backschafter“ (Back = Tisch) das Essen in der Offiziersmesse servieren.

Das Leben auf See läuft im Sechs-Stunden-Rhythmus und, wenn man Glück hat, ohne nächtlichen Alarm. Schlafen, Rein-Schiff-machen, Unterricht, Putz-/Flickarbeiten oder Schiff streichen. Zweimal pro Jahr bekommt die „Brommy“ einen Anstrich, Farbe klopfen inbegriffen.

Im Februar 1963 fliegt Brieger von England aus in den Heimaturlaub, mit der Noratlas, dem „fliegenden Güterwagen“. Ausgerüstet mit Schwimmweste, einem Fallschirm und Mini-Rettungsboot auf dem Rücken, will er zur Toilette. Die aber ist nicht mehr als ein Trichter hinten im Rumpf. Das Bemühen, ihn zu treffen erheitert die gesamte Mannschaft.

Als sie im Sommer im Skagerrak bei Orkan in schwere See und Schlagseite geraten, lacht niemand mehr. Blasse Gesichter, Appetitlosigkeit und Angst bestimmen die Szenerie. Ein Manöver in der Ostsee hat ganz andere Folgen.

Beim Bombenwurf trifft es wohl einen Kabeljauschwarm, Fischfang ist angesagt und dann an Bord ein Schlachtfest. Anschließend werden im Kieler Hafen die Filets an Zerstörer und Schnellboote verhökert, so erzählt Seebär Brieger, dann hat man wieder die nötigen „Bordmittel“ fürs nächste Bordfest.

An eine kleine Kollision mit einer Fähre im Nord-Ostsee-Kanal kann er sich noch erinnern. Auch daran, dass er nach dem Kommando „Volle Fahrt voraus!“ geglaubt hatte, der Kapitän wäre „durchgeknallt“. Dass der ein Ausweichmanöver versuchte, das konnte er unter Deck nicht ahnen. Heute dagegen steht der Maschinist am Schaltpult, hat durch viel Technik den Überblick.

Eine neue F218, die „Mecklenburg-Vorpommern“, tut momentan Dienst am Horn von Afrika. Sie ist auf Piratenjagd. Mit mehr Komfort und neuen Hightech-Geräten ausgerüstet, ist sie dennoch in weit größerer Gefahr als damals die „Brommy“.

Keine Kommentare