Von Buch nach Estland: Eine Familie jagt das Abenteuer

21.9.2015, 17:35 Uhr
Von Buch nach Estland: Eine Familie jagt das Abenteuer

© Claudia Brandt-Pecher

Sie jagt das Abenteuer. Claudia Brandt-Pecher geht es nicht um Trophäen, sondern um neue Horizonte. Die 35-jährige Witwe aus Buch bei Gremsdorf möchte ihren Kindern „den Blick öffnen für die Welt“. Und wie tut man das am Besten? Man begibt sich mitten hinein.

Im August steigt die Sekretärin mit ihren beiden Söhnen Malte (7) und Ole (4) sowie ihrer Tante Claudia Taubmann in einen offroad-tauglichen Wagen und lässt Buch hinter sich. 5500 Kilometer legen die vier zurück, reisen durch Polen, Litauen, Lettland nach Estland und dann mit der Fähre auf die Insel Saaremaa.

Sie übernachten in der Natur, die Tante schläft mit dem Kindern oben im Dachzelt des Landrovers, die Mutter auf einer Liege unten im Wagen. „Für den Notfall hatten wir ausgemacht, dass ich als Warnzeichen drei Mal laut hupe und dann losfahre“, sagt Claudia Brandt-Pecher. Einmal hören sie auf dem estnischen Festland, dass ein Bär in der Nähe sein soll. Sie lagern die Lebensmittel außer Reichweite und bekommen das Wildtier nicht zu Gesicht.

Ihre Reise ist geprägt von wunderschönen Natureindrücken und freundlichen Begegnungen. Immer wieder fällt die kleine Gruppe mit ihrem Outdoor-Wagen auf. Die Menschen freuen sich, rufen „Safari-car“ und wollen Bilder machen mit den Reisenden. Die Kinder haben Kescher dabei und Becherlupen, um kleine Tiere zu beobachten. Malte bekommt eine Angel geschenkt. Der Bayerischen Jagdverband, bei dem Claudia Brandt-Pecher Mitglied ist, stellt ihnen lehrreiche Materialien zur Verfügung.

„Lassen uns nicht unterkriegen“

Nach knapp zwei Wochen sind die vier am Ziel. Auf der Insel Saaremaa treffen sie den Jäger Tormis Lepik. Er kennt die Familie Brandt-Pecher noch aus einem Besuch im Vorjahr. 2014 waren noch alle zusammen da. Denn auch dem Mann von Claudia Brandt-Pecher war das Reisen sehr wichtig. Beim Kauf des Landrover Defender hatten sich die beiden einst kennengelernt. Im Dezember 2014 ist der Vater von Malte und Ole bei einem Unfall gestorben. „Wir hatten wirklich eine harte Zeit“, sagt die 35-Jährige. Bis heute hat sie oft schwierige Momente. Aber sie hat sich vorgenommen, auch für ihre Kinder: „Wir lassen uns nicht unterkriegen.“ Claudia Brandt-Pecher weiß, dass ihr Mann die Reise voll unterstützt hätte. Er war zwar kein Jäger, aber auch er liebte das Abenteuer. Und den Austausch mit anderen Menschen.

Genau das haben seine Witwe und ihre Tante dann auf Saaremaa auch gelebt. Von den Jägern rund um Tormis Lepik werden sie freundlich aufgenommen. Geschenke der Sponsoren werden ausgetauscht. Outdoor und Jagd-Firmen wie Land Rover der Basler unterstützen die Reise. Auch die Lokalpresse und die Jagdzeitschrift „Estonian Hunter“ sind vor Ort.

Gemeinsam gehen alle an zwei Tagen auf die Jagd. „Biber sind in Estland schon fast eine Plage und dürfen geschossen werden“, sagt Claudia Brandt-Pecher, die das Hobby „Jagd“ von ihrem Vater übernommen hat. Auch ein Wildschwein wird erlegt. „Zuhause, in meinem Revier bei Röttenbach, jage ich natürlich regional“, meint sie. Deswegen sei internationale Erfahrung sehr interessant. Die 52-jährige Tante Claudia Taubmann, schon seit einigen Jahren Witwe, ist Jägerin im Schwarzwald.

Beim Abschied geben die estnischen Jäger den Reisenden noch ein Elch-Geweih mit. Als das außen am Dachgepäckträger montiert ist, fällt die Gruppe natürlich noch mehr auf. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal kommt hinzu, auf das Brandt-Pecher sicher gerne verzichtet hätte: Ein Verband an der Hand.

Schuld an der Verletzung ist ein Abendessen bei Kap Kolka in Lettland. Claudia Taubmann hat eine frische Scholle gefangen und nimmt sie gerade aus, ihre Nichte bereitet das Feuerholz vor. Beim Hantieren mit der Axt schneidet sich die 35-Jährige den oberen Teil des Daumens ab. Das Krankenhaus ist 100 Kilometer weit entfernt, die Fingerkuppe und die Reisegruppe bricht sofort auf. Die Fingerkuppe lagert in der Mittelkonsole. „Sonst haben wir andere Erfahrungen gemacht, aber die Klinik war sehr russisch“, sagt Claudia Brandt-Pecher. Sprich: Zur Betäubung gibt es nichts als einen Schnaps, den Rest vom Daumen beerdigt die Familie später in der Nähe eines Campingplatzes.

Doch auch dieser Unfall lässt für die Gruppe die positiven Seiten der Reise nicht in den Hintergrund treten. „Es war ein tolles Erlebnis.“ Ein neues Abenteuer lässt sicher nicht lange auf sich warten.

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