Vor Gericht: Herzogenauracher teilte Hitler-Bild im Klassenchat

4.5.2021, 06:00 Uhr
Vor Gericht: Herzogenauracher teilte Hitler-Bild im Klassenchat

© Foto: machdeinhandynichtzurwaffe.de

Zur Vorgeschichte: Steffen W. (Name von der Redaktion geändert) hat gerade seine Ausbildung begonnen, als er im Jahr 2019 in der Berufsschule in München zum Klassensprecher gewählt wird und in dieser Funktion eine WhatsApp-Gruppe gründet, in der sich die rund 25 jungen Erwachsenen am Handy Nachrichten, Links und Bildchen schicken können. Im Verlauf eines Chats tauschen sie auch "Memes" aus, meist schnell gebastelte Witzchen, die aus einem Bild und einem Spruch bestehen.

"Es hat sich dann so hochgeschaukelt", sagt der Angeklagte später vor Gericht. "Es ging darum, wer in dem Moment den stärkeren Sticker hat." Also lässt sich der damals 19-Jährige zu etwas hinreißen, das er heute selbst als "absolut geschmacklos" empfindet.

Er teilt in der Gruppe ein "Meme", das einen lachenden Adolf Hitler zeigt. Unter dem Bild steht: "Du bist lustig, dich vergas ich zuletzt." Das ist eine Verharmlosung des Holocausts und strafbar als Volksverhetzung, wie der Staatsanwalt vor dem Amtsgericht Erlangen ausführt. "Es war mir nicht klar, dass das so ausgelegt werden könnte", sagt der Angeklagte, der betont, mit rechter Gesinnung nichts am Hut zu haben. Er sei sich auch nicht bewusst gewesen, dass er sich strafbar mache.

Jede Art von Pornos

Genau wie in der analogen Welt können in Chat-Apps, Foren und auf Social-Media-Plattformen Straftaten begangen werden. Nicht nur Cybermobbing, beispielsweise durch das Verbreiten von ehrverletzenden Gerüchten, Beschimpfungen und Bedrohungen, nimmt zu. Auch kommen strafbarer Umgang mit jeder Art von Pornografie, unbefugte Bild- oder Tonbandaufnahmen, Gewaltdarstellungen und Volksverhetzung in den sozialen Medien und Messenger-Diensten vor.

Da setzt die Kampagne "Mach dein Handy nicht zur Waffe" an. In den vergangenen Jahren gab es an bayerischen Schulen vermehrt Fälle, in denen strafbare Inhalte über Netzwerke und Chats verbreitet wurden. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich meint dazu: "Kinder und Jugendliche sind viel in Schülerchats und sozialen Netzwerken unterwegs. Die Pandemie hat das verstärkt. Ein Problem: Unsere Staatsanwaltschaften werden immer häufiger mit strafbaren Inhalten auf Handys konfrontiert. Schüler sind sich oft nicht bewusst, wie schnell sie eine strafbare Handlung mit dem Handy begehen können, und unterschätzen die Folgen."

Mitschülerinnen geholfen

Das zeigt sich am Beispiel von Steffen W.: Die Polizei hat von dem Chat in der WhatsApp-Gruppe nur deshalb erfahren, weil der Angeklagte sich in seiner Funktion als Klassensprecher an die Berufsschule gewandt hat, um einen Mitschüler zu melden, der mehrere junge Frauen in der Klasse mit anzüglichen Videos belästigt hatte. Das war zur Anzeige gekommen, und auf dem beschlagnahmten Mobiltelefon des Mitschülers war auch das Hitler-Bild des Klassensprechers sowie der Verlauf des Nachrichtenaustauschs gespeichert.

Für die Kampagne "Mach dein Handy nicht zur Waffe" hat der Influencer Falco Punch ein Video ins Netz gestellt, das aufklären soll. Auch Steffen W. wird sich dieses Filmchen ansehen. Das hat Richterin Birgit Griem nämlich zur Auflage gemacht, damit das Verfahren eingestellt werden kann.

Der heute 21-Jährige soll einen handschriftlichen Aufsatz über den Inhalt verfassen und sich Gedanken darüber machen, wie Straftaten dieser Art künftig zu verhindern sind. "Sie können ein Leuchtturm sein", sagt die Richterin, "und diesen Film verbreiten". 

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