Wer isst in ERH noch "Ingreisch"?

22.2.2019, 13:57 Uhr
Wer isst in ERH noch

© André De Geare

Wenn Peter Petroff in der Gastwirtschaft auf seinen Teller blickt, fehlt ihm etwas. Der Karpfenliebhaber aus Fürth steht auf "Ingreisch", gebackene Samenzellen oder Rogen – die reifen Eier weiblicher Tiere. Diese Teile der Karpfen-Innereien wurden früher selbstverständlich mitgegessen, heute ist das selten geworden. Diesen Eindruck jedenfalls hat Petroff. "Man bekommt seit langem – egal, ob man im Lokal isst oder den Karpfen nach Hause holt — so gut wie nichts mehr von dem bekanntermaßen sehr schmackhaften Ingreisch dazu", moniert er. "Obwohl das ja schließlich zum Karpfen gehört."

Seine Sehnsucht nach gebackenen Samenzellen — schön fettig mit Kartoffelsalat — hat Peter Petroff schon bei verschiedenen Gastwirten angesprochen. Die wiederum belasten die Großhändler, sie würden den Tieren vor dem Verkauf an die Wirte das Ingreisch entnehmen und separat an spezielle Fischhandlungen abgeben, die es dann sehr teuer an die Endverbraucher verkaufen.

Dann wiederum hat unser Karpfenliebhaber gehört, dass die meisten Gaststätten ihren Fisch direkt von den Teichbesitzern beziehen. "Wer hält nun das Ingreisch zurück . . . ?", fragt sich Petroff. " . . . die Teich- oder die Gastwirte?" Im Landkreis Erlangen-Höchstadt wäre es jetzt natürlich ein Leichtes, Eberhard Irlinger zu verdächtigen. Schließlich trägt der ehemalige SPD-Landrat den Spitznamen "Roter Kormoran". In einer einzigen Saison soll er schon mal 113 Karpfen verdrückt haben. Selbst wenn er Ingreisch auch gerne mag, würde das aber trotzdem nicht reichen.

6000 Tonnen im Jahr

"In etwa mehrere Hundert Kilo pro Saison fallen bei uns an", schätzt Walter Jakob. Und der Vorsitzende der Teichgenossenschaft Aischgrund beteuert: Er isst sie nicht allein. "Ich mag es schon", sagt der Mühlhausener, der in über 70 Naturteichen im Aisch- und Ebrachgrund Karpfen züchtet. Augenzwinkernd fügt er dann noch hinzu: "Wenn ein netter Kunde kommt, dann lass ich ihm doch gerne den Vortritt." Natürlich hat auch Peter Petroff die Sache im Kopf mal grob überschlagen. Sein Ergebnis: "Selbst wenn man berücksichtigt, dass dieser Leckerbissen auch den Gastronomen und Teichwirten trefflich ,mundet‘, so kann doch schließlich deren Eigenbedarf bei der enormen Menge der in jeder Saison anfallenden Karpfen niemals so hoch ausfallen, dass für die eigentlichen Konsumenten nichts mehr davon übrig bleibt."

Rund 1000 Tonnen Aischgründer verbrauchen die Fischküchen im Jahr. Der langjährige Durchschnitt beim Karpfen in Bayern liegt bei 6000 Tonnen. Da müsste doch auch etwas Ingreisch abfallen für Herrn Petroff und seine Freunde.

Walter Jakob hat eine Erklärung, die vielleicht die Aufregung schon mal halbiert. Wirklich nachgefragt seien nämlich eigentlich nur die Samenzellen vom Milchner, dem männlichen Karpfen. "Es kommen manchmal ein paar Spezialliebhaber in meinen Laden, die möchten den Rogen haben, aber das sind Ausnahmen." Auf Anfrage hält er die Eier dann bereit, gibt ihn manchmal sogar kostenlos ab.

Der Teichwirt war auch schon in Kontakt mit einem großen Betrieb, der in München Karpfenrogen zur griechischen Spezialität "Taramas" verarbeitet. "Als er wissen wollte, wie viele Tonnen wir im Monat liefern können, hatte sich die Sache schnell erledigt", sagt Jakob. So viel hat er nicht.

Ein anderer Grund seien die Veränderungen in den Gastwirtschaften, meint der Teichwirt. Oft haben Jüngere die Betriebe übernommen. "Sie schlachten häufig nicht mehr selbst und bestellen die Karpfen ausgenommen und halbiert." Sie nehmen den Fisch also nicht aus und gelangen deshalb auch nicht an kleinen Leckereien im Innern.

"Das Ganze zentnerweise"

Das Ingreisch gehört bei Jakob zur Lieferung trotzdem dazu — die Wirte geben ihn dann beim gebackenen Karpfen mit auf den Teller. Wenige Gastwirte bestellen das inzwischen allerdings auch explizit ab, weil die Nachfrage nicht da sei. Einen Kunden hat Jakob, "der scherzt immer, er möchte das Ganze zentnerweise, weil er sich spezialisiert hat". Den Namen allerdings verrät Walter Jakob nicht.

Wer die Innereien des Karpfen probieren möchte, wird am ehesten im fränkischen Aischgrund (Landkreise Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim, Forchheim und Erlangen-Höchstadt) fündig, denn dort gibt es noch zahlreiche Gaststätten mit eigener Teichwirtschaft.

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