Wie Gemeinden in ERH den Straßenverkehr organisieren

3.11.2020, 06:00 Uhr
Wie Gemeinden in ERH den Straßenverkehr organisieren

© Foto: Karl-Heinz Panzer

Der öffentliche Verkehrsraum gleicht mitunter einer Kampfzone. Fußgänger fühlen sich belästigt von "Rüpelradlern", Fahrradfahrer wiederum beklagen sich über rücksichtslose Autofahrer und diese regen sich nicht selten auf über Fußgänger, die sich nach ihrem Geschmack allzu gemächlich auf der Fahrbahn bewegen – anstatt eiligst freie Bahn zu machen.

Aber auch besonders gefährdete und schutzbedürftige Verkehrsteilnehmer sind auf den Straßen unterwegs, so etwa Kinder auf dem Schulweg, Rollstuhlfahrer oder Menschen, die einen Kinderwagen vor sich herschieben. Wie kann man so unterschiedlichen Interessen gerecht werden?

Wie Gemeinden in ERH den Straßenverkehr organisieren

© Foto: Karl-Heinz Panzer

Eine Aufgabe, an die Kommunen und Verkehrsplaner mit unterschiedlichen Ansätzen herangehen. Beispiel Mühlhausen: Im neuen Wohn- und Mischgebiet Hüttenfeld wird es wieder Gehwege geben, die dem Fußgängerverkehr vorbehalten sind. Parken ist auf dem schmalen Streifen, der sich durch Betonsteinpflaster und flache Randsteine von der Fahrbahn absetzt, verboten.

Zuletzt hatten sie in den Siedlungen in Mühlhausen vorzugsweise sogenannte Mehrzweckstreifen angelegt. Auf denen dürfen sich alle Verkehrsteilnehmer bewegen. Und nicht nur das, es darf dort auch geparkt werden. Genau das aber war der Grund, sich wieder auf die Gehsteige zurückzubesinnen. Nur allzu oft würden die Straßenränder zugeparkt, begründete Mühlhausens Bürgermeister Klaus Faatz kürzlich den Schritt. Schulkinder, Menschen mit Rollator oder Kinderwagen würden so auf die Fahrbahn gezwungen.

Bewährte Gehsteige

Am anderen Ende des Landkreises denken die Verantwortlichen ähnlich. "Wir bleiben bei den klassischen, bewährten Gehsteigen", bekräftigt Eckentals Bürgermeisterin Ilse Dölle. "Die Anwohner in den Wohngebieten wollen getrennte Bereiche", betont die Rathauschefin, die auch den Rat ihres Behindertenbeauftragen zu dem Thema eingeholt hat. Mit Beschwerden werde das Rathaus jedenfalls nicht überhäuft. Dazu mag der Verkehrsüberwachungsdienst beitragen, den die Gemeinde engagiert hat.

Ein solcher kommt, wie berichtet, auch in der Gemeinde Röttenbach. Dort wenden sich Bürger immer wieder mit Klagen an die Gemeinde. Ob auf den Mehrzweckstreifen in den neueren Siedlungsgebieten oder da, wo es noch die alten Gehsteige mit ihren hohen Bordsteinkanten gibt: "Geparkt wird da wie dort", so die Erfahrung von Bürgermeister Ludwig Wahl. Punktuell gebe es laut Wahl verkehrsberuhigte Bereiche, in denen nur Schrittgeschwindigkeit gefahren werden dürfe. Ansonsten gilt in den Wohngebieten Tempolimit 30.

Was die Verkehrssicherheit angeht, hätten sich Poller bewährt, wie sie längs der Schulstraße aufgestellt sind. Die seien barrierefrei, gewährten Sicherheit und seien obendrein optisch ansprechend, findet Ludwig Wahl. Ansonsten finden sich in Röttenbach einige verkehrsberuhigte Zonen, in denen nur in Schrittgeschwindigkeit gefahren werden darf. Darüber hinaus gilt Tempo 30.

Ganz ähnlich sieht es in den Höchstadter Wohngebieten aus. Beschweren sich auch in der Aischgrundstadt die Leute über zugeparkte Wege? "Wir haben großzügig geplant, mit eineinhalb Stellplätzen pro Haushalt. Insofern ist das Problem bei uns nicht vorhanden", sagt Bürgermeister Gerald Brehm.

Irritationen in der Hauptstraße

Die eine oder andere Irritation habe es dagegen im Eingangsbereich der Hauptstraße nach deren Sanierung vor vier Jahren gegeben, wie Brehm einräumt. Die Leute hätten sich aber mittlerweile an die neuen Verhältnisse gewöhnt, also an eine verkehrsberuhigte Zone ohne Höhenunterschiede von Fahrbahn und Gehweg und ohne Abtrennungen.

Vereinzelte gekennzeichnete Stellplätze, zwischendrin Elemente, die zu langsamer und aufmerksamer Fahrweise zwingen und ansonsten Mischverkehrsflächen, auf denen sich alle gleichberechtigt bewegen: Das ist auch das Credo von Matthias Rühl, der für eine Reihe von Gemeinden im Landkreis arbeitet. Der Neustädter Stadtplaner schwört darüber hinaus auf Pflastersteine und Platten. "Mit Asphalt verscheuche ich die Leute", sagt Rühl, der von den Mehrzweckstreifen in den Wohnsiedlungen wenig hält. Denn: "Damit suggeriere ich eine Trennung der Verkehrsarten."

Und wenn dann doch, wie es vielerorts geschieht, der Gehweg "zugeparkt" wird? "Ganz einfach: Parküberwachung und Sanktionen. Rücksicht nehmen will gelernt sein, wenn nötig über den Geldbeutel", ist Matthias Rühl überzeugt. Mehr gegenseitige Rücksichtnahme fordert auch Ilse Dölle.

Eckentals Bürgermeisterin stellt fest: "Es ist schon so, dass wir in Deutschland ein motorisiertes Denken haben. Das muss sich wieder umdrehen. Die Schwachen müssen geschützt werden."

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