Zwei Herzogenauracher Stadträte blicken zurück

24.5.2020, 08:00 Uhr
Zwei Herzogenauracher Stadträte blicken zurück

© Archivfoto: Matthias Kronau

Eine politische Biografie, die förmlich aus einer anderen Zeit stammt, kann Peter Prokop, Jahrgang 1940, vorweisen. 42 Jahre Mitglied des Stadtrats Herzogenaurach, Träger der Stadtmedaille in allen Farben, 23 Jahre Ortsvorsitzender der SPD, Fraktionsführer im Stadtrat, Kreisrat am Beginn seiner Karriere, 18-jährig im Jahr 1958 in die SPD eingetreten… Zig Wahlkämpfe, die er mitmachte und für die er plakatierte. Zu seinen politischen Weggefährten zählen Horst Reinecke, Dieter Breyer, Konrad Eitel, SPD-Fraktionsführer der Ratsopposition in den 1970ern, 1980ern und 1990ern und die Antipoden der CSU-Bürgermeister Hans Ort und Hans Lang. "Bis 2008 waren wir nach SPD-Bürgermeister Hans Maier 30 Jahre in der Opposition", erinnert Peter Prokop: "Das stählt in gewisser Weise. Ich sehe es locker." Als "elder Statesman" vereidigte er 2008 den neuen SPD-Bürgermeister German Hacker im Rat. Seither sei es mit viel Arbeitseinsatz gelungen, Herzogenaurach zu einer "modernen internationalen Kleinstadt" mit Neubaugebieten und sozialer Infrastruktur umzugestalten, die "auch von den Top-Leuten internationaler Firmen" als Platz zum Leben bevorzugt wird.

Nach zwölf Jahren effizienten und wirtschaftlich komfortablen Arbeitens im Stadtrat zeichneten sich allerdings nun andere Rahmenbedingungen ab: Ein neues Gestaltungsbündnis in einer unerprobten Konstellation und Einbrüche bei Gewerbesteuer und Einkommensteueranteil durch die Corona-Pandemie.

Dazu Themen wie die nun doch anstehende standardisierte Bewertung der Aurachtal-Bahn. Prokop: "Im Nachhinein muss man sagen, es war ein Fehler, die 50000 Euro für ein Gutachten dafür nicht auszugeben." Allerdings gibt er dem Projekt aus technischen Gründen wenig Chancen. "Vor 20 Jahren hätte man die Weichen für die Bahn stellen müssen." Mit einer Bahn nach Erlangen-Bruck würden die Firmenzentralen von adidas und Puma nicht angebunden. Die Zukunft der Politik sieht er stark "von den Nebenwirkungen des technischen Fortschritts geprägt. Es ist beunruhigend, was in der Medienlandschaft im Hinblick auf Fake News auch auf lokaler Ebene inzwischen möglich ist."

"Gedanken verrohen"

Zusätzlich hätten sich durch weltweite Entwicklungen hin zu Autokratie "böse Dämpfer für die Demokratie ergeben. Gedanken und Sprache verrohen." Sein Ausscheiden aus dem Stadtrat, in dem zu seinem Erstaunen nun fast jedes Anwesen der Hauptstraße vertreten ist, sieht er mit Gelassenheit, seine Frau Maria noch ein wenig mehr. Endlich könnten Urlaubsfahrten nach Wolfsberg oder Heviz (soweit Corona dies zulässt) ohne Sitzungsplan gebucht werden. Denn auch hier war er Vorbild: In 42 Jahren versäumte er nur eine einzige Stadtratssitzung.

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© Archivfoto: Matthias Kronau

Ist sie rot, ist sie grün, ist sie schwarz? "Vor 18 Jahren fragten mich alle Parteien an", rekapituliert Ille Prockl-Pfeiffer, Jahrgang 1946, ihre beiden Etappen im Stadtrat. Ihre Themen: mehr Frauenpräsenz in den Gremien, mehr soziales Netzwerk, mehr Anerkennung von Familienarbeit. 2002 gelangte sie als Stadträtin für die CSU in der Amtszeit von Hans Lang erstmals ins Kommunalparlament. Beim zweiten Mal rückte sie für Horst Körner nach.

Elternbeirat im Gymnasium, Gründerin der International Women’s Group, Gründerin von Zonta Herzogenaurach, aktiv im Frauenbund, im Seniorenbeirat, in der Agenda, bei Städtepartnerschaften und in der Flüchtlingsinitiative – die Sozialpädagogin sprudelt schier vor Ideen. Sei es zur Sportstadt, zum Gesundheitspfad, zu Familienhilfe, zur Sportnacht für Vereine, zur Gründung von Herzo TV, dem Kunstverein oder dem "Runden Tisch Wohnen": Illes Impulse schienen unerschöpflich.

"Sehr viel Gedankenzeit floss in die Arbeit im Stadtrat", fasst sie zusammen. Ihr Ansatz: Kreative Ideen aus anderen Städten – sie selbst stammt aus Westfalen und ist familiär und durch ehrenamtliches Engagement international vernetzt - auf Herzogenaurach zu übertragen. Wenn auch nicht sofort, so ging doch manches in die Ratsbeschlüsse ein. An ihrem 70. Geburtstag charakterisierte Bürgermeister German Hacker ihren Ideenstrom, wenn etwas Neues kam: "Ille war wieder in Urlaub…"

Das Frauenthema? Auch im neuen Stadtrat hat die CSU nur eine weibliche Vertreterin, auch die Grünen hätten dieses Problem. "Egal, ob die Kanzlerin Angela Merkel heißt, der Denkweise von früher sind in der Politik noch viele verhaftet", ist die Erfahrung von Ille Prockl-Pfeiffer. Netzwerke wie Feuerwehr, Pfarrgemeinderat, Fußballverein fehlen Frauen häufig. Auch würden Frauen nicht gleich Frauen wählen.

Als "elder Stateswoman", wie sie sich nun definiert, will sie ihre Ideen auf andere Weise implementieren: "Ich kämpfe für mehr echte Bürgerbeteiligung. " Den Auftrag für die neuen Stadträte fasst sie in ein Bibelzitat: "Suchet der Stadt Bestes."

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