Hungerstreik-Unterstützer werfen Polizei Brutalität vor

30.6.2013, 16:06 Uhr
Hungerstreik-Unterstützer werfen Polizei Brutalität vor

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Unterstützer des Münchner Hungerstreik-Camps haben der Polizei ein brutales Vorgehen gegen die Asylbewerber vorgeworfen. Nach der Räumung des Lagers erklärte der Anmelder der ursprünglichen Kundgebung, Houmer Hedayatzadeh, Hungerstreikende seien „angegriffen, geschlagen und getreten“ worden. Asylbewerber seien im Polizeipräsidium gezwungen worden, sich nackt auszuziehen und hätten dort trotz Lebensgefahr keinerlei medizinische Versorgung erhalten.

Der Münchner Polizeivizepräsident Robert Kopp hatte dagegen erklärt, erst die Polizei habe es Ärzten ermöglicht, die zum Teil extrem geschwächten Hungerstreikenden – darunter drei Kinder – ins Krankenhaus zu bringen. Sogenannte Unterstützer hätten Notarztwagen blockiert. Gegen zehn Hungerstreikende sei bei der Räumung „unmittelbarer Zwang angewendet“ worden, aber es sei niemand verletzt worden.

Die Münchner Sozialreferentin Brigitte Meier sagte am Sonntagmittag, zwei am Hungerstreik beteiligte Familien seien inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen und in Apartments untergebracht, einige andere würden in städtischen Asyl-Unterkünften betreut.

Gescheiterter Vermittlungsversuch

Nach einem gescheiterten Vermittlungsversuch räumte die Polizei in München am Sonntagmorgen das Camp der hungerstreikenden Asylbewerber gegen deren Willen. "Das Kreisverwaltungsreferat hat die Versammlung aufgelöst. 44 der Asylbewerber sind wegen Folgen des Hungerstreiks mit dem Rettungsdienst auf 12 Krankenhäuser verteilt worden", sagte Stadtsprecher Stefan Hauf.

Bei der Räumung des Camps hungerstreikender Asylbewerber nahm die Münchner Polizei am Sonntagmorgen 13 Menschen vorläufig fest. Der Versammlungsleiter sei ebenso abgeführt worden wie zwölf Unterstützer wegen Widerstands und Beleidigung, teilte der Krisenstab am Mittag in München mit.

Gespräche erfolglos

Der frühere SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel und der ehemalige CSU-Politiker Alois Glück haben sich als Vermittler in den Konflikt um hungerstreikende Asylbewerber in München eingeschaltet. Gemeinsam gingen sie am Samstagabend in das Lager der rund 50 Asylbewerber auf dem Rindermarkt in der Innenstadt und suchten das Gespräch mit ihnen. Vogel und Glück sollen den Konflikt entschärfen und eine einvernehmliche Lösung finden. Darauf hatten sich Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) bei einem Krisentreffen in der Staatskanzlei verständigt.

Der Landtagswahlkampf soll angesichts des Ernsts der Lage zurückstehen: An der Pressekonferenz nahm auch Münchens Oberbürgermeister Christian Ude teil, der bei der Landtagswahl im September als SPD-Spitzenkandidat gegen Seehofer antritt. "Bei derart schwierigen Entscheidungen, bei denen es nicht rhetorisch, sondern tatsächlich möglicherweise schon in kurzer Zeit um Leben und Tod geht, ist es gut, wenn es einen breiten Konsens gibt", sagte Ude.

Die Asylbewerber aus mehreren afrikanischen und asiatischen Ländern fordern in der Münchner Innenstadt die sofortige Anerkennung ihrer Asylanträge. Das Angebot einer Schnellprüfung innerhalb von zwei Wochen hatte ihr Sprecher Ashkan Khorasani - der selbst nicht hungert - kategorisch abgelehnt.

Solidaritätsdemonstration in Nürnberg

Seit einer Woche verweigern die Hungerstreikenden die Nahrungsaufnahme, seit Dienstag trinken sie nichts mehr - in der Regel verdursten Menschen nach wenigen Tagen ohne Wasser. Vor dem Krisentreffen verweigerten die Unterstützer erneut Ärzten den Zutritt zu dem kleinen Zeltlager in der Münchner Innenstadt. Am frühen Abend wurde dann wieder einem Arzt der Zutritt gestattet, der einen Mann ins Krankenhaus bringen ließ. Das Hungercamp wurde von Dutzenden Polizisten überwacht. Wie schon in den Vortagen lieferten sich Passanten Wortgefechte in einem Spektrum von ausländerfeindlich bis weit links.

Am Vortag hatte der Sprecher der Gruppe in einer mit «unsere letzte Nachricht» betitelten Erklärung mit Toten gedroht: «Entweder die Erfüllung der exakten Forderung der hungerstreikenden Asylsuchenden oder Bobby Sands und Holger Meins auf den Straßen Münchens.» Meins und Sands waren Terroristen von RAF und IRA, die sich 1974 beziehungsweise 1981 zu Tode gehungert hatten.

Ude ließ keinen Zweifel, dass der Krisenstab von Stadt und Staatsregierung Tote in München verhindern will: "Der absolute Vorrang gebührt dem Schutz von Leib und Leben." Doch wollen die Behörden eine Zwangsräumung des Hungerlagers durch die Polizei offenbar vermeiden. Das "Demonstrationsgeschehen" sei rechtmäßig, sagte Ude dazu.

Die Behörden vermuten aber, dass zumindest einige der hungerstreikenden Asylbewerber von Khorasani und seinen Helfern für politische Zwecke benutzt werden. Die "Rädelsführer" hätten sich selbst auf eine Ebene mit Terroristen gestellt, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU): "Ich bin persönlich nicht überzeugt, dass das dem Bewusstsein und dem Willen aller Teilnehmer dieser Aktion entspricht und dass sie sich überhaupt bewusstwerden, wie sie politisch vereinnahmt werden."

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