Illegale Absprachen

15.2.2011, 00:00 Uhr
Illegale Absprachen

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„Wir haben das immer vermutet, aber wir konnten es nie beweisen“, sagte Wilfried Schober im Gespräch mit unserer Zeitung. Viele Bürgermeister hätten sich nur gewundert, dass der gleiche Lkw immer gleich das Doppelte gekostet habe, weil er „rot angestrichen ist und ein Blaulicht auf dem Dach hat“, so der Sprecher des Bayerischen Gemeindetages.

Aufgrund einer anonymen Anzeige hat das Bundeskartellamt vier Durchsuchungsaktionen bei verdächtigen Firmen durchgeführt und offenbar umfassende Beweise für die vermuteten Preis- und Marktabsprachen von drei Unternehmen gefunden. Nach Angaben der Wettbewerbsbehörde hat das Hersteller-Kartell mindestens seit 2001 Aufträge und Ausschreibungen unter den Mitgliedern aufgeteilt und „Erhöhungen ihrer Angebotspreise abgesprochen“. Ein Wirtschaftsprüfer in der Schweiz koordinierte die Aufträge; die Kartelltreffen fanden nicht an einer Autobahn-Raststätte, sondern am Züricher Flughafen statt.

Das Bundeskartellamt hat den drei Firmen nicht nur Bußgelder in Höhe von 20,5 Millionen Euro auferlegt, sondern auch die jeweils zuständigen Staatsanwaltschaften eingeschaltet. Gemeindetags-Sprecher Schober jedenfalls erkennt „Formen organisierter Kriminalität“. Gemeindetagspräsident Uwe Brandl findet es „unglaublich, mit welcher Dreistigkeit Preisabsprachen zulasten der Steuerzahler erfolgt sind“. Brandl, der selbst Bürgermeister in Abensberg ist, forderte, dass der Bund die Bußgeld-Millionen an die geschädigten Kommunen auszahlt.

Drei Firmen dominierend

Die drei bestraften Firmen decken etwa 80 bis 90 Prozent des deutschen Marktes für Feuerlöschfahrzeuge ab. Und sie liefern auch viele Spezialvehikel ins Ausland. Mehrere unbedeutende Mitbewerber sind nach Angaben eines Insiders „so klein, dass sie nicht an dem Kartell teilnehmen durften“. Der Gesamtschaden bei Städten und Gemeinden ist kaum abschätzbar. Eine Statistik des Innenministeriums lässt erahnen, um welche Volumina es allein im Freistaat geht: Demnach gab es 2008 staatliche Zuschüsse für 245 Feuerwehrfahrzeuge; 2009 waren es 270 Autos. Über diese staatlich geförderte Flotte hinaus kaufen Kommunen Fahrzeuge, auch ohne Zuschüsse des Freistaates zu bekommen.

Die Stadt Nürnberg hat erst im Dezember an eine der drei Firmen einen Auftrag über sieben Löschfahrzeuge vergeben. Die motorisierten sieben Lkw-Fahrgestelle kosten 384000 Euro, die Feuerwehr-Aufbauten aus der Produktion des früher an Preisabsprachen beteiligten Unternehmens schlagen mit 1,27 Millionen Euro zu Buche. „Die Bestellung ist draußen, da können wir nichts mehr machen“, sagte der Nürnberger Feuerwehr-Verwaltungschef Knuth Reuter.

Die Stadt Schwabach hat 2008 insgesamt 185000 Euro für ein Löschfahrzeug bezahlt, davon 94000 Euro für die Feuerwehr-Ausstattung — ein Auftrag, über den mit großer Wahrscheinlichkeit auch am Züricher Flughafen gesprochen worden ist. Auch in Erlangen waren zwei der drei auffälligen Firmen in den vergangenen Jahren „immer wieder Lieferanten“, wie Stadt-Sprecher Peter Gertenbach sagte. Aktuell läuft eine Bestellung der Hugenottenstadt für ein Feuerwehrlöschfahrzeug. „Wir prüfen, ob sich dieser Auftrag stoppen lässt“, sagte Gertenbach.

Einzelne Gemeinden waren gestern über die Millionen-Bußgelder gegen ihre Feuerwehr-Hauslieferanten noch gar nicht informiert gewesen. Anderenorts lief „in den Rathäusern die hektische Suche: Was haben wir von denen gekauft“, so Gemeindetags-Sprecher Wilfried Schober. Der Kommunalverband fordert nun Detailinformationen des Bundeskartellamtes, um so den Schaden für die einzelne Gemeinde gerichtsfest ermitteln zu können. „Wir bräuchten Einblick in die interne Kalkulation und in die Absprachen“, erklärte Schober.

Die betroffenen Gemeinden warten nun auf die rechtlichen Ratschläge ihrer Kommunalverbände, um die Chancen für Schadensersatzklagen auszuloten. Offen ist auch, ob die drei Firmen nach den bekanntgewordenen Absprachen von Aufträgen ausgeschlossen werden können. Der Nürnberger Bürgermeister Horst Förther: „Vielleicht temporär, anders wird es nicht gehen.“