In Berührung mit einem glücklichen Leben

17.12.2020, 13:04 Uhr
Charly Sowa hatte mit dem Leben abgeschlossen - doch das Leben nicht mit ihm. Mit 66 Jahren heiratete er, zum ersten Mal.  

© e-arc-tmp_20150305-152718-006.jpg, NZ Charly Sowa hatte mit dem Leben abgeschlossen - doch das Leben nicht mit ihm. Mit 66 Jahren heiratete er, zum ersten Mal.  

Diese Geschichte erzählt von Glück, sie beginnt mit einem Baum und sie endet mit einem Baum. Der erste steht im Marienbergpark. Dorthin war Kalle „Charly“ Sowa im Jahr 2007 gegangen, um sich aufzuhängen.

"Schlimmer geht es nicht mehr"

Er entdeckte einen sehr schönen Baum, der zu seiner Zielsetzung passte, denn er war ein Mann, der sich immerzu Ziele steckte in seinem Leben: Mehr als genug Geld wollte er haben, erfolgreich sein in seinem Geschäft, eine liebevolle Partnerin. Alles war fehlgeschlagen. „Ich habe damals gedacht: Schlimmer geht es nicht mehr“, erinnert sich Charly Sowa. Er sei aber zurückgeschreckt, er wisse nicht mehr, warum. Stattdessen vertraute er sich seiner Ärztin an. „Ich sagte zu ihr: Ich bin am Ende. Sie sagte: Wir liefern Sie ein, nach Erlangen in die geschlossene psychiatrische Anstalt. Wegen Selbstgefährdung.“

Mitgefühl auch für sich selbst

Die nüchterne Antwort der Ärztin holt Charly Sowa ins Leben zurück, er nimmt Medikamente und beginnt, sein Seelenheil zu suchen. In den vergangenen 13 Jahren hat er einen Weg gefunden, der ihn mit seiner Vergangenheit versöhnt, ihn die Gegenwart auskosten lässt und die Zukunft freundlich willkommen heißen lässt: Offenheit, Ehrlichkeit. Mitgefühl. Auch für sich selbst.

Sowa ist gelernter Koch und Konditor, er hat auch den Taxischein gemacht, als Fahrer und Schwimmlehrer gearbeitet. Er hat Hotels geleitet und 1996 ein Catering-Unternehmen gegründet: ein großer Erfolg, schnell kamen vier Shops in Nürnberg dazu. Charly Sowa ist ehrgeizig, er arbeitet hart, bis zum Umfallen. 2004 tritt der Krebs in sein Leben. „Das hat mir die Füße weggezogen“, erzählt Sowa. Ein Jahr lang macht er Chemotherapie, um den Lymphdrüsenkrebs zu besiegen. Parallel dazu arbeitet er weiter, selbstverständlich. Dann, 2006, folgt ein Herzinfarkt, er bricht zusammen, wird reanimiert, kommt auf die Intensivstation. „Seitdem habe ich keine Angst mehr vor dem Tod“, sagt Charly Sowa, „er ist schmerzlos.“

Hochzeit mit mit 66 Jahren

Dann kommt der Krebs zurück, insgesamt fünf Mal wird er wiederkehren. Sein Geschäft geht pleite, die Ersparnisse sind futsch, die Freundin verlässt ihn, er ist todkrank. Das war der Zeitpunkt, an dem Charly Sowa in den Marienbergpark ging und einen Baum suchte.

Auch jetzt hat Charly Sowa zwei Pflaster an seinen Handrücken, dort, wo die Zytostatika in seine Venen tropften. Der 67-Jährige hat immer noch Krebs, einmal in der Woche fährt er ins Südklinikum zur Behandlung. Er ist blass und erschöpft, seine Ärzte haben ihm geraten, sich freiwillig in Selbstquarantäne zu begeben. Als Krebspatient gehört er zur Risikogruppe. Nach der Behandlung fährt er nach Beilngries. Dort lebt er mit seiner Ehefrau. „Ich habe mit 66 Jahren zum ersten Mal im Leben geheiratet.“

Keine Furcht mehr

Seine Frau hat Charly Sowa in einem der Seminare kennengelernt, die ihm dabei halfen, zu sich selbst zu finden. Gefühle und körperliche Berührungen zuzulassen, dem Leben freundlich zu begegnen. Auch die Gesprächs- und Selbsthilfegruppen von KISS haben dazu beigetragen. „Ich habe keine Erwartungshaltung und keine Furcht. Am heutigen Tag bin ich glücklich und damit lege ich die Wurzeln für morgen“, sagt er. Großes Glück spüre er beim „Waldbaden“. Er hat, erzählt Sowa, in Beilngries einen Lieblingsbaum gefunden.

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