Insider berichtet: So sieht die Bewerbersituation bei der Polizei aus

8.4.2019, 05:56 Uhr
Ein Bild aus dem Jahr 2017 von der zentralen Vereidigungsfeier der bayerischen Polizei in der Nürnberger Frankenhalle: Der Andrang zur Polizei ist bei näherem Hinsehen nicht so groß, wie von der Politik gerne behauptet wird.

© Günter Distler Ein Bild aus dem Jahr 2017 von der zentralen Vereidigungsfeier der bayerischen Polizei in der Nürnberger Frankenhalle: Der Andrang zur Polizei ist bei näherem Hinsehen nicht so groß, wie von der Politik gerne behauptet wird.

Gegenüber den Nürnberger Nachrichten hat ein Insider dazu nun Stellung genommen. Er sieht eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem Gesagten aus der Politik und dem Zustand an der Basis - also an den Ausbildungsstandorten der Bereitschaftspolizei in Würzburg, Nürnberg, Sulzbach-Rosenberg, Eichstätt, Königsbrunn und Dachau. Ein Dorn im Auge sind ihm die Bewerberzahlen. "Darüber wird deutschlandweit nicht die Wahrheit gesagt", sagt er.

Denn wer ist Bewerber, wenn in Medien von einer "Bewerberflut" geschrieben werde? Eine Definition dazu gebe es nicht. "Als Bewerber zählt schon jemand, der auf einer Online-Seite der Polizei oder auf Messen sein Interesse an einer Polizeiausbildung bekundet", sagt er. Außerdem kommt ein Teil der Interessenten und der Bewerber von der Hauptschule. Voraussetzung für einen Ausbildungsplatz ist aber mindestens die mittlere Reife oder der qualifizierende Hauptschulabschluss mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung.

Bewerber mit sichtbaren Tätowierungen oder Piercings fallen auch heraus. Frauen, die auf lange Fingernägel nicht verzichten wollen, haben ebenfalls keine Chance. "Damit kann man Schwierigkeiten haben, eine Waffe zu bedienen."

Wer dann in die engere Wahl kommt, muss erst einmal eine Reihe von Aufnahmeprüfungen bestehen. "Allerdings erscheint schon mal ein Teil der Leute gar nicht", sagt der Fachmann. Besonders die sportliche Prüfung ist für viele dann eine harte Nuss: Männer müssen einen Lauf von 2600 Metern schaffen, Frauen 2100 Meter. Die Prüflinge müssen außerdem 100 Meter schwimmen. "Da gibt es immer wieder welche, die nach einigen Metern schon drohen, unterzugehen." Während der zweieinhalbjährigen Ausbildung müssen sie aber so fit gemacht werden, dass sie 600 Meter am Stück schaffen. "Die müssen hart an sich arbeiten."

Ein weiterer Knackpunkt ist die Theorie, und da vor allem die Deutschkenntnisse: "Die Prüfungsstellen stellen fest, dass Bewerber im Deutschtest immer schlechter abschneiden", sagt der Polizist. Dabei müssten die künftigen Beamtinnen und Beamten viel zu Papier bringen. Sie sollen schriftlich Stellungnahmen abgeben, Berichte und Zeugenerklärungen verfassen und Anzeigen aufnehmen. Fließend Deutsch sollten sie auch sprechen können, wenn sie Personen vernehmen oder mögliche Zeugen befragen.

Dass immer mehr Prüflinge beim Deutschtest Schwierigkeiten haben, bestätigt auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP). "Selbst Abiturienten zeigen bei der Rechtschreibung Schwächen", sagt der GdP-Landesvorsitzende Peter Schall. Während der Ausbildung gehe man stärker darauf ein, um Defizite bis zum Start ins reguläre Dienstleben auszubügeln. Der GdP-Bundeschef, Oliver Malchow, sagt dazu: "Der Anteil qualifizierter Bewerber auf Bundesebene sinkt."

Zweifellos steht Bayern mit Blick auf die Polizei in anderen Bundesländern, mit denen der Freistaat um Bewerber konkurriert, vergleichsweise gut da. 60 bis 70 Prozent der Azubis bei der bayerischen Polizei sind nach Angaben eines Ausbilders Abiturienten. Viele kommen aus anderen Bundesländern wie Hessen, Thüringen und Berlin. Auch, weil im Freistaat eine höhere Besoldung winkt. So zahlen Nordrhein-Westfalen und Bayern einem Beamten mit demselben Dienstgrad etwa 500 Euro brutto mehr im Monat als Polizisten in Berlin erhalten.

Um Bewerber zu gewinnen, hat die bayerische Polizei Anforderungen schon herabgesetzt. So wurde die Altersgrenze zum Zeitpunkt der Einstellung von 28 auf 32 Jahre nach oben korrigiert. Auch die Mindestgröße wurde nach unten gesetzt von einst 1,68 auf 1,65 Meter. Selbst wer noch kleiner ist, hat Chancen, muss aber die fehlenden Zentimeter im Sport durch eine bessere Leistung wettmachen, berichtet ein Ausbilder.

Selbst wer ein Tattoo hat, darf in den Polizeidienst einsteigen, sofern es nicht gewaltverherrlichend ist oder für politische radikale Ansichten steht. Einzige Bedingung: Die Tätowierung darf nicht zu sehen sein. Auch nicht am Arm, wenn der Beamte ein kurzärmeliges Uniform-Hemd trägt.

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