"Kleine Kostbarkeiten" gesichert

18.6.2019, 10:13 Uhr

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Wenn Motivation auf Anreiz trifft, lässt sich etwas bewegen. Gerade hat die Hoteliersfamile Niedner und Rother vom "Reichsküchenmeister" Geld für die fachmännische Sanierung der beiden Ziervasen aus Schilfsandstein in die Hand genommen, um die historische Steinmetzkunst für die Nachwelt zu sichern. Als schmückende Funktion ziert sie den Säulenschaft am Eingang zur Restaurantterasse. Die Ziervasen sind über 320 Jahre alt, datiert auf das Jahr 1795, stammen also aus der Zeit des Klassizismus, die Epoche löste den Barock ab.

Alte Zeichnungen und Aufnahmen zeigen, dass der Eingang zu dem Garten mit den Ziervasen schon vorhanden war, als dort am Kirchplatz noch die Michaelskapelle stand. Sie gehörte zur St. Jakobs-Kirche und wurde als Totenkapelle genutzt – bis sie um 1805 im Zuge der Säkularisation abgerissen wurde.

Es war das Kurfürsten- und Königreich Maximilians I., das in seiner seit 1803 währenden Herrschaft über Rothenburg wegen angeblicher Überschuldung der Tauberstadt deren architektonisches Tafelsilber verscherbelte. Selbst vor dem Rathaus und vor Kirchen machten die bayerischen Beamten nicht halt. Bei der St.-Michaelskapelle erzürnte dies Bürger sogar bis zum Protest. Leider vergeblich. Zumindest hat in dieser verzweifelten Aktion noch Inventar gerettet werden können. Ähnlich erging es der Marienkapelle auf dem Schrannenplatz, die ursprünglich einmal eine Synagoge gewesen war. Die Verwaltung verkaufte das Gotteshaus an einen Kaufmann. Am Ende erfolgte auch hier der Abriss. "Pharamundsturm" hieß ein weiteres Opfer. Der trutzige Wächter aus Buckelquadern im äußeren Burggarten soll um das Jahr 1820 einfach abgerissen worden sein. Nur einige Bilder erinnern heute noch an ihn.

Von der ehemaligen Michaelskapelle sind nur noch Wandreste mit Maßwerk vorhanden. Die Architektur filigraner Arbeit von Steinmetzen in Form von flächigen Gestaltungen wird durch Witterung und Umwelteinflüsse in Mitleidenschaft gezogen. Bei den Ziervasen kam die Prob­lematik hinzu, dass sie im Innern durch Eisenverankerungen auf den Säulen befestigt waren. Durch die Oxidation mit Sauerstoff und in Gegenwart von Wasser bildete sich Rost. Es entstanden Flecken und sonstige Makel, außerdem greifen Feuchtigkeit und Frost die Bausubstanz an und verursachen Rissbildungen, die zu einer allmählichen Gefügezerstörung führen können.

Mit kunsthistorischem und technischem Know-how sowie mit handwerklichem Können können die Zeitzeugen aus Stein erhalten und bewahrt werden. Aus der guten Erfahrung heraus betraute Alt-Rothenburg wiederum die auf Denkmalpflege spezialisierte Fachfirma Herzig aus Schnelldorf mit den Arbeiten für die "Kleinen Kostbarkeiten", mit der auch die Stadt schon länger zusammenarbeitet. Die anfallenden Kosten werden gedrittelt zwischen Alt-Rothenburg, Stadt und "Reichsküchenmeister"-Hoteliersfamilie als private Eigentümer.

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Mit finanzieller Unterstützung der Eheleute Dr. Rainer und Hanna Leupold konnte eine weitere architektonische "Kostbarkeit" im Stadtbild gesichert werden. Die historische Steinbank aus dem 19. Jahrhundert vor dem Haus in der Klostergasse ist ein echter Hingucker. Sie wurde inzwischen ebenfalls fachmännisch saniert.

Seit 35 jahren wohnen die Leupolds in dem Haus, das sie mit viel Liebe zum Detail stilvoll hergerichtet haben und pflegen. Schon bei ihrem Einzug 1984 ließen sie die Steinbank sanieren. Die damalige Leiterin des Reichsstadtmuseums, Dr. Hilde Merz, hatte ihnen eine Fachfirma empfohlen, mit der sie selbst zusammenarbeitete.

Die Sitzfläche der Steinbank ist mit schweren Blumentrögen zugestellt. Die Eheleute wissen sich nicht anders zu helfen, denn sie waren genervt von vespernden Touristen, die ihren Abfall hinterlassen haben. Ihre Fassadenbegrünung haben sie so zurückgeschnitten, dass es nicht mehr möglich ist, im Vorbeigehen auf die Steinbank zu steigen und die Kletterpflanzen herunterzureißen.

Mit der Projekt-Reihe "Kleine Kostbarkeiten" wurden im Laufe der letzten Jahre schon die Feuerschutztür zum Pulverturm am Schrannenplatz, die Turmspitze im Klostergarten und die Steinkunst an der Blasiuskapelle im Burggarten gesichert. Dass sich auch private Hauseigentümer als starke Verbündete für die Denkmalpflege sensibilisieren und gewinnen lassen – wie die jüngsten Objekt-Beispiele zeigen – ist mehr als erfreu­lich.

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