Klimaschutz mit Gewehr: "hunting4future" will den Wald retten

6.2.2020, 05:20 Uhr
Klimaschutz mit Gewehr:

© dpa

Herbert Fuchs möchte nicht länger zusehen, wie sein Wald stirbt. Wegen Hitze, Trockenheit und immer mehr Schädlingen machen Kiefern und Fichten en masse die Grätsche. Nicht nur bei Fuchs, sondern überall in Bayern. Viele sprechen deshalb sogar schon von einem "Waldsterben 2.0“. Doch neue Bäume wachsen fast nicht nach, die Naturverjüngung, also die natürliche Vermehrung der Bäume, bleibt aus.


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"In meiner Jugend musste man bei der Holzernte noch in Dickungen rein. Jetzt kann man zu jedem Baum mit dem Traktor hinfahren“, sagt Fuchs angesichts des lichten Waldes, durch den man weit hindurchsehen kann, so leer wirkt er zwischen den großen Altbäumen.

"Keine einzige Eiche kommt durch"

Dabei würden in Fuchs’ Wald trotz des Klimawandels noch ganz gut Bäume wachsen. Denn eigentlich ist der Waldbesitzer gut aufgestellt. In seinem fünf Hektar großen Waldstück beim Allersberger Ortsteil Ebenried wachsen verhältnismäßig viele Tannen und Eichen. Baumarten also, auf die man in Bayern in Zukunft verstärkt setzen will. "Aber selbst wenn in Mastjahren Tonnen von Eicheln runterfallen, kommt keine einzige Eiche durch“, beklagt Fuchs. 

Das Problem: Viel zu viel Wild ist im Wald unterwegs, knabbert an den jungen Trieben und zerstört die Bäumchen dadurch.

Welche Auswirkungen die vielen Rehe haben, sieht man an den Weiserzäunen, die Fuchs aufgestellt hat. Zu Schauzwecken sind kleine Areale eingezäunt – der Effekt ist frappierend. Während außerhalb des Zaunes kein einziger junger Laubbaum wächst und höchstens ein paar winzige Tannen zu sehen sind, schießen im Inneren Buchen und Eichen schon einige Meter in die Höhe, dichte Tannen ermöglichen kaum ein Durchkommen in dem Areal. 


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"Durch den Klimawandel wird es für unsere Wälder immer schwieriger. Wir müssen dringend die Abschusszahlen erhöhen, um angepasste Wildbestände zu erreichen“, meint Wolfgang Kornder, Vorsitzender des Ökologischen Jagdverbandes (ÖJV) in Bayern.

Menschen sind sensibler für das Thema geworden

Sein Verband fordert das schon lange, bislang allerdings mit bescheidenem Widerhall. "Allein sind wir als relativ kleiner Verband nicht stark genug“, bekennt Kornder. Weil die Menschen in den vergangenen Hitze- und Trockenjahren allerdings sensibler für das Thema geworden sind, hat der ÖJV etliche Mitstreiter gefunden und im Oktober die Initiative „hunting4future“ gegründet.

Mit dabei sind neben dem Bund Naturschutz in Bayern und der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft (ANW) auch etliche bedeutende Waldbesitzer. Das Würzburger Juliusspital zum Beispiel, die Forstverwaltung Freiherr von Eyb bei Amberg, der Waldbesitzerverband Erlangen-Höchstadt und die Forstbetriebsgemeinschaften Westmittelfranken und Dillingen.

Klimaschutz mit Gewehr:

Verstärkt Tiere abschießen, um den Wald zu retten? Das muss man engagierten Umwelt- und Klimaschützern erst einmal nahebringen. "Es ist nicht einfach, jungen Leuten zu erklären, dass das eine, ein zukunftsfähiger Wald, nicht ohne das andere, eine intensivere Jagd, möglich ist“, sagt Uwe Köberlein, stellvertretender ÖJV-Vorsitzender.

"Wo man nicht schießt, wächst der Wald nicht"

"Im Zukunftswald Rohr haben wir den Abschuss auf etwa 20 Rehe pro 100 Hektar verdoppelt. Das ist natürlich sehr ambitioniert, man kann auch mit 15 Rehen anfangen. Aber fest steht: Wo man nicht schießt, wächst der Wald nicht“, betont Ralf Straußberger, Waldreferent des Bund Naturschutz.

Schon jetzt ist im Bayerischen Waldgesetz festgehalten, dass Wald vor Wild geht. "Aber dafür müsste man auch ehrlich jagen. Es wird praktisch nicht kontrolliert, ob die Abschusspläne eingehalten werden“, beklagt Stefan Kolonko von der ANW. Zwar müssen die Abschusszahlen regelmäßig gemeldet werden, dass jedes tote Stück Wild vorgelegt werden muss, wird aber nur in sehr wenigen Fällen verlangt, wenn die gemeldeten Zahlen und der Zustand des Waldes überhaupt nicht zusammenpassen wollen. 

Die Staatsforsten in Bayern verfolgen eine ähnliche Politik. Auch dort sieht man die Notwendigkeit zu einer intensiven Jagd. Viele private Waldbesitzer sehen das aber ganz anders. "Da herrscht noch die alte Jagdherrenmentalität. Es wird gejagt, wie es einem passt. Und viele wollen eben viel Wild im Wald stehen haben, die Trophäenjagd steht im Vordergrund“, meint Straußberger.

Immer mehr Schutzzäune?

"Die Jäger müssen im Wald aber Wolf, Luchs und Bär ersetzen, sonst stimmt das Gleichgewicht nicht mehr“, verdeutlicht Kolonko. "Wenn wir die Wälder, die wir haben, schützen und bewahren wollen, kommen wir nicht darum herum, mehr zu jagen", fügt Straußberger hinzu. "Wir müssen Begeisterung beiden Jägern entfachen. Natürlich bedeuten höhere Abschusszahlen viel Arbeit. Aber sie ist es wert“, betont ÖJV-Vorsitzender Wolfgang Kornder.

Waldbesitzer Herbert Fuchs hofft, dass die Initiative "hunting4future“ ein Umdenken erreichen kann. "Ich möchte der nächsten Generation einen gesunden Wald weitergeben. Wenn es so weitergeht, werden immer mehr Schutzzäune in den Wäldern stehen müssen, Steuergelder werden verschwendet und die Fläche für das Wild wird dadurch auch noch kleiner“, sagt er.

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