Klimawandel und Käferplage: Fichten sterben am Nürnberger Land aus

17.6.2020, 12:01 Uhr
Dieser winzige Käfer (im Becher) und das Schadbild, das er unter der Rinde anrichtet. Alarmierende Zahlen gibt es an einer Messstelle in Offenhausen, die in das bayerinweite Borkenkäfermonitorin eingebunden ist.

© Lorenz Märtl Dieser winzige Käfer (im Becher) und das Schadbild, das er unter der Rinde anrichtet. Alarmierende Zahlen gibt es an einer Messstelle in Offenhausen, die in das bayerinweite Borkenkäfermonitorin eingebunden ist.

Ein Winzling, nur ein paar Millimeter groß treibt l treibt landauf landab in den Wäldern sein Unwesen und bringt Waldbesitzer und Forstleute zur schieren Verzweiflung: der Borkenkäfer. Er und der Klimawandel, der seine explosionsartige Vermehrung zusätzlich begünstigt, sorgen dafür, dass sich das Bild des Waldes nachhaltig ändert, auch im Landkreis Nürnberger Land, einer der waldreichsten Gegenden Bayerns. Vor allem mit einigen der Hauptbaumarten wie Kiefer und Fichte sieht es hier für die Zukunft alles andere als rosig aus.

Mit der Borkenkäferplage scheint es in diesem Jahr besonders schlimm zu sein, auch wenn die derzeit niedrigeren Temperaturen und die großen Regenmengen dem Wald eine Atempause verschaffen. Dr. Steffen Taeger, Abteilungsleiter der Forstverwaltung des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Roth-Hersbruck, macht deutlich, dass die aktuelle Situation heuer ganz besondere Sorge bereitet, denn die Bedrohung ist auf einem noch höheren Niveau als in den letzten Jahren. Der Forstexperte rechnet vor, dass sich im Vergleich zum letzten Jahr eine 2,5-fache Steigerung abzeichnet. Die Erkenntnis fußt auf dem Ergebnis des bayernweiten Borkenkäfermonitorings, zu dem auch das Nürnberger Land mit einer Messstelle bei Offenhausen eingebunden ist. Innerhalb einer Woche wurden dort über 10.000 Käfer gefangen.

"Das geht rasend schnell"

Der Käfer ist temperaturgesteuert und mag warme Temperaturen. Warm-trockene Bedingungen, die sich ja nach der Regenperiode wieder abzeichnen sorgen dafür, dass der Käfer zwei oder drei Generationen schafft und durch den Reproduktionsfaktor 20 die Zahl enorm ansteigt. Dies bedeutet, dass allein eine befallene Fichte 20.000 Jungkäfer hervorbringt, die 20 neue Bäume befallen. Daraus resultieren dann 400.000 Jungkäfer, die bereits 400 Bäume neu befallen. "Das geht rasend schnell", konstatiert der zuständige Revierförster Michael Bayerer.

Deswegen appellieren die zuständigen Stellen an alle Waldbesitzer ihre gesetzliche Verpflichtung der regelmäßigen Kontrolle mindestens einmal wöchentlich ernst zu nehmen, denn weder die sechs Revierleiter der Forstverwaltung noch die forstlichen Mitarbeiter der Forstbetriebsgemeinschaft Nürnberger Land können dies flächendeckend bewerkstelligen. Die typischen Merkmale des Befalls sind gut erkennbar, denn frischer Befall zeigt sich durch braunes Bohrmehl, das aussieht wie Schnupftabak, das sich auf Rindenschuppen, am Stammfuß, in Spinnweben oder auf der Bodenvegetation sammelt. Erst spät färben sich die Kronen braun und die Rinde blättert ab. Wichtig ist es in solchen Fällen auch die benachbarten Bäume zu untersuchen. Bevorzugte Anflugziele des Borkenkäfers sind aber auch jene Fichten, die durch die Sturmereignisse Anfang des Jahres vor allem in den nördlichen Revieren Schnaittach und Vorra fielen.

Befallene Bäume entfernen

Ein weiterer Schwerpunkt ist der Moritzberg während es im südlichen Landkreis, in dem es auch noch größere Fichtenblöcke gibt, noch relativ ruhig ist. Befallene Bäume müssen schnellstmöglich aus dem Wald entfernt werden, was angesichts eines absolut am Boden liegenden Holzmarkt für den Waldbesitzer einen Riesenwertverlust bedeutet. Zwar wären momentan viele Hiebe noch kostendeckend aber die Tendenz zeige nach unten. Umso wichtiger sei es deshalb aktiv zu werden, um noch größere Schäden zu verhindern.

Speziell am Moritzberg sieht Taeger für die Fichte auf Dauer keine Zukunft. Revierförster Bayerer präzisiert dahingehend, "dass wir hier in fünf Jahren keine Fichten mehr haben." Das sei vielen noch nicht bewusst, weil neue Nester immer schnell entfernt werden. "Die Leute würden erschrecken, wenn das alles stehen bliebe und nicht beseitigt wird." Das bestätigt auch Försterin Michaela Ehmann von der Forstbetriebsgemeinschaft, die hier einige Waldbesitzer betreut.


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Naturverjüngung und Nachpflanzen von Baumarten, die besser mit dem Klimawandel zurechtkommen, heißt deshalb die Devise. Vor diesem Hintergrund nehme auch die Bedeutung der Jagd zu weswegen die Unterstützung der Jäger dringend notwendig sei. Es sei unmöglich, die Riesenschadflächen komplett einzuzäunen. Steffen Taeger bezeichnet den Weg des hier angestrebten Waldumbaus als Anreicherungskultur: die Flächen sich nicht selbst überlassen, sondern im Kern mit Baumarten anreichern, auf die man eigentlich setzen will.

Da die Bekämpfung des Borkenkäfers und der Erhalt der Wälder im Interesse der gesamten Gesellschaft liegen, unterstützt die Staatsregierung die Waldbesitzer bei dieser riesigen Herausforderung mit erheblichen finanziellen Mitteln. Detaillierte Infos zur Borkenkäferbekämpfung, zu den Fördermöglichkeiten und den Ansprechpartnern finden sich unter www.aelf-rh.bayern.de (Telefon 09151/7270). Behilflich ist auch die Forstbetriebsgemeinschaft Nürnberger Land unter www.fbg-nuernbergerland.de (Telefon 09151/822350).


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