Kommentar: Der Impfgipfel zeigte sich wenig mutig

26.4.2021, 19:46 Uhr
Nach dem Gipfel: Markus Söder und Angela Merkel.

© Michael Kappeler, dpa Nach dem Gipfel: Markus Söder und Angela Merkel.

"Hoffnung" gehe von diesem Gipfel aus, sagten die Beteiligten an der üblichen Pressekonferenz am Abend – Angela Merkel, Markus Söder und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller.

Hoffnung? Nun ja, wir sind da bescheiden geworden, gerade bei diesen Runden aus Ministerpräsidenten und Kanzlerin, die es in dieser Form eigentlich gar nicht mehr geben sollte. Was nun, beim Impf-Gipfel, beschlossen – genauer: noch nicht wirklich beschlossen – wurde, ist ein sehr kleiner Funken Hoffnung.

Ab Juni, so der Plan, soll die Priorisierung bei den Impfungen aufgegeben werden. Das ist das späte Eingeständnis gleich mehrerer nicht korrigierter Fehler: War anfangs der Schwerpunkt richtig, zuerst die ganz Alten zu impfen, um sie zu schützen, so hat sich das längst geändert: Inzwischen raten viele Experten dazu, zunächst Junge ab 16 zu impfen – weil sie zu den am meisten Betroffenen und den am meisten das Virus Verbreitenden zählen.

Was gut und was schief läuft

Die Politik bringt den Mut zu solchen neuen Ranglisten offensichtlich nicht mehr auf. Auch deshalb, weil zu beobachten ist, was schief und was gut läuft. Schief läuft oft die Vergabe von Terminen bei den Impfzentren, wo Ältere immer noch warten auf eine Mitteilung.

Gut läuft dagegen das Impfen bei den Hausärzten. Klar: Sie kennen ihre Patienten, sie können selbst am besten entscheiden, wer Vorrang hat und wer noch warten kann. Das ist zu intensivieren, ohne Ausnahmen, damit mehr Tempo in die Impfkampagne kommt. Die nimmt nun Fahrt auf – ein Stück Hoffnung.

Brisante Frage

Keine konkreten Beschlüsse gab es bei der brisanten Frage, ob Geimpfte mehr dürfen als nicht Geimpfte. Das Thema polarisiert; viele sehen "Vorrechte" für Geimpfte als unsolidarisch an. Eine seltsame Logik – nach dem Motto: Wenn ich nicht in den Biergarten darf, dann soll das mein geimpfter Nachbar auch nicht dürfen.

Verfassungsrechtlich ist die Sache klar: Geimpfte, auch Genesene müssen natürlich umgehend ihre wegen der Pandemie auf Zeit entzogenen Freiheiten zurückbekommen. Sie erhalten keine "Privilegien", sondern Grundrechte zurück. Warum sollen Heimbewohner, die alle geimpft sind, sich oder geimpfte Angehörige denn nicht endlich treffen dürfen?

Wenn die Politik da nicht schnell entscheidet, könnte es wieder einmal passieren, dass Gerichte sie zum Handeln zwingen. Klagen laufen - und die Rechtslage ist eindeutig.

Der schnellste Weg aus der Krise

Rückkehr zu Freiheiten: Das ist im übrigen auch der schnellste Weg aus der wirtschaftlichen Not, die der Lockdown für Gastro, Kultur, Läden, Tourismus etc. bringt: Schrittweise Öffnungen helfen diesen Branchen und damit dem gesamten Land.

Die Politik muss für diese zeitweise gespaltene Rechtslage intensiv werben: Solidarisch ist, wer anderen ohne Missgunst zubilligt, dass sie ihre Rechte wieder bekommen, auch wenn man selbst noch warten muss.

Und: Die Politik muss das so erst einmal beschließen, nicht nur debattieren. Es ist höchste Zeit. Dann auch für Hoffnung.


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