Kult-Autohof: Schafe und Gitarren verzieren Lkw

28.6.2019, 05:48 Uhr
Aus den Nasenlöchern des Schafs, dessen Kopf an der Rückwand einer Lkw-Kabine hängt, kommt dichter Qualm, wenn der Fahrer einen Knopf drückt und damit die installierte Nebelmaschine anwirft.

© Lkw-Zubehör GmbH Aus den Nasenlöchern des Schafs, dessen Kopf an der Rückwand einer Lkw-Kabine hängt, kommt dichter Qualm, wenn der Fahrer einen Knopf drückt und damit die installierte Nebelmaschine anwirft.

Pinke oder rote High Heels, montiert auf dem Trittbrett des Lkw – das ist derzeit der Renner unter den Truckern. Was die Fernfahrer damit sagen wollen? "Na, dass sie die coolste Sau auf dem Planeten sind natürlich", meint Sabine Kniebaum.

Kaum einer kennt die Trucker so gut wie sie, die mitten unter ihnen aufgewachsen ist. 1968 übernahmen ihre Eltern den neu gebauten Autohof Berg an der A9 bei Hof, vier Kilometer von der deutsch-deutschen Grenze entfernt. Da war Sabine Kniebaum vier.

"Als Kind war ich immer im Betrieb bei meinen Eltern. Sie haben ja ständig gearbeitet. Die Trucker haben mir bei den Hausaufgaben geholfen und tolle Bilder für den Kunstunterricht gemalt", erzählt Kniebaum. Und auch bei ihren Freunden war sie damals wahnsinnig beliebt. "Bei uns war ja immer was los – und es gab immer Pommes im Autohof. Das war die geilste Kindheit", schwärmt Kniebaum.

Als Zehnjährige am Bierausschank

Als ihre Oma 1974 in den Urlaub flog, fehlte plötzlich eine wichtige Thekenkraft. Und so stellte man der zehnjährigen Sabine einfach einen Hocker hinter die Theke und sie durfte Bier zapfen. "Ich habe auch Schnaps ausgeschenkt und Zigarren verkauft. Heute würden die Leute durchdrehen", glaubt Kniebaum.

Nach vielen Jahren als Besitzerin eines Shell-Autohofs nur wenige hundert Meter weiter, ist Kniebaum seit 2015 wieder am alten Autohof Berg. Dort hat sie das Geschäft mit Lkw-Zubehör, das sie als 13-Jährige im Autohof der Eltern begonnen hatte, so sehr ausgeweitet, dass der Shop heute führend in Deutschland ist.

Eine Tankstelle gibt es bei ihr nicht mehr. Dafür aber ein echtes Kuriositätenkabinett: die Werkstatt von Ernst Auhuber, ihrem Partner.

Von Phil Collins bis Jack Daniel’s

Er baut Lkw-Kabinen zu wahren Wohnträumen für Trucker aus. "Standardmäßig ist da so ein Scheiß-Velours drin. Das ist nicht auszuhalten, das ist völlig ungemütlich. Dabei leben die Fahrer die ganze Woche in der Kabine – und in seiner Wohnung soll man sich schließlich wohl fühlen können", meint er.

Also sorgt Auhuber dafür, dass sich die Trucker wohl fühlen, egal, welch bizarres Verständnis von Wohlfühl-Ambiente so mancher Fernfahrer hat. Hugo zum Beispiel wollte die ganze Kabine in Mintgrün. "Da bekomm ich doch beim Einbau schon Augenkrebs", sagte Auhuber. Doch Hugo wollte es so.

Einem Phil-Collins-Fans hängte er goldene Schallplatten an die Rückwand, ließ Sitze und Fußboden mit Phil-Collins-Signaturen besticken und inszenierte in einer Nische Schlagzeug-Sticks mit stimmungsvoller Beleuchtung.

Einem Rolling-Stones-Liebhaber montierte er eine Gitarre an die Decke und verzierte Sitze und Spiegel mit dem Zungen-Logo. Ein Jack-Daniel’s-Fan hat nun beleuchtete Flaschen und mit Logo versehene Holzschränke in der Kabine, selbst auf dem Hupendeckel prangt groß das Jack-Daniel’s-Zeichen.

Meist zahlt der Chef für langgediente Fahrer

Am liebsten arbeitet der 66-Jährige mit den tätowierten Unterarmen aber für seine ehemaligen Kollegen. Viele bekommen die Aufhübschung ihres Gefährts vom Chef bezahlt, als Lohn für jahrelange Dienste. Die meisten Kunden entscheiden sich für dezente Töne, champagnerfarben oder braun. Doch ausgefallenen Sonderwünsche gibt es immer wieder.
Eine Woche werkelt Auhuber am Innenausbau eines Trucks, macht knapp 50 Fahrzeuge pro Jahr. Bis April 2020 ist er ausgebucht. Meist steht er schon kurz nach vier Uhr morgens in der Werkstatt. "Mehr als vier Stunden kann ich nicht schlafen, sonst krieg ich Schädelweh", sagt er.

Gerade auch um den Zusammenhalt unter den Fahrern zu fördern, gibt es seit 2017 die Berg-Hütte auf dem alten Autohof-Gelände. In der rustikalen Holzhütte finden die Trucker bei deftigen Speisen zueinander. "Das ist nicht so eine Bahnhofshalle wie sonst in heutigen Autohöfen. Wir haben es bewusst so klein gehalten, dass die Fahrer sich gemeinsam an einer Tisch setzen müssen. So kommen sie dann auch schnell ins Gespräch", sagt Auhuber.

60 Lkw können in Berg über Nacht parken, meist ist der Parkplatz voll. Dann schauen sie auch vorne im Shop mit dem Lkw-Zubehör vorbei. Beliebt ist da immer noch der Klassiker, eine furchtbar kitschige Duftkrone, die auf dem Armaturenbrett Jasmin- oder Lavendelnoten verbreitet.

"Als 'Auf Achse' mit Manfred Krug lief, haben wir 100 Lenkradknaufe im Monat verkauft", erzählt Kniebaum. Heute gehen eher individualisierte Schmutzfänger oder Türkenhörner (ein Tröten-Klassiker, mit dem man Frauen hinterherpfeifen kann) über die Ladentheke. Oder eben pinke High Heels.

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