KZ-Häftlinge sind in Hersbruck durch die Hölle gegangen

11.4.2015, 00:00 Uhr
KZ-Häftlinge sind in Hersbruck durch die Hölle gegangen

© Michael Matejka

Bernt Engelmann, 1994 verstorbener Schriftsteller, war Häftling Nummer 28738 in Hersbruck. Er hat das Regiment des Terrors und der Erniedrigung überlebt, doch eines hat er nie vergessen: „Es war diese totale Menschenverachtung, die in diesem ganzen System steckte.“ Der politische Gefangene, der Juden zur Flucht verholfen hatte, erinnerte sich an die dürftige Verpflegung im Lager: „Im Esskübel setzte sich das wenige Nahrhafte unten ab. Schöpfte der Kapo nur von oben ab, so erhielt der Häftlinge nur warmes Wasser. Der Kapo entschied über Leben und Tod.“

Odoardo Foccherini, Journalist und Widerstandskämpfer, half verfolgten Juden zur Flucht aus Italien und rettete damit über 100 Menschen das Leben. Er war Häftling in Hersbruck von Oktober bis zu seinem Tod im Dezember 1944. In seinem Heimatort Carpi wurde er 2013 von der katholischen Kirche seliggesprochen.

Roger Caille war mit einer Gruppe ehemaliger Häftlinge aus Frankreich wiederholt in Hersbruck zu Besuch. Dabei erzählte er vom Alltag des Schreckens im Lager, das mit ihm nur zwei weitere der insgesamt 180 Franzosen überlebten: „Wir lebten ständig im Dreck.“ Er habe sich im Happurger Doggerstollen absichtlich den Zeigefinger der linken Hand von einer Lore zerquetschen lassen, um ins Krankenrevier eingewiesen zu werden. Bei seiner Befreiung wog er nur noch 35 Kilogramm.

Ljubisa Letic, Überlebender aus Novi Sad in Serbien, hat die letzten Monate des Krieges im KZ durchlitten. Der damals 19-Jährige wurde im April 1945 auf dem Todesmarsch der Hersbrucker Häftlinge nach Dachau in Schmidtmühlen von den Amerikanern befreit. Er schilderte die Lebens- und Arbeitsbedingungen in einer Broschüre. Titel: „Nur wir Betroffenen wissen, durch welche Hölle wir gegangen sind.“

Alfred Nerlich kam erst im Februar 1945 nach Hersbruck und überlebte das Lager als Schreiner in einer kleinen Werkstatt. Er schrieb 1999 seine Erlebnisse im Büchlein „Ein Zeitzeugenbericht“ nieder. Nerlich gelang auf dem Fußmarsch der ausgemergelten KZ-Insassen die Flucht. Viele Begebenheiten haben sich tief in sein Gedächtnis eingebrannt: „Die Häftlinge mussten den Abraum mit Loren aus dem Berg schaffen — alles im Laufschritt. Es kam öfters vor, dass eine Lore mit den Häftlingen den Berg hinunterkippte. Die Toten wurden mit zurück ins Lager getragen, denn beim Appell musste die Zahl der Gefangenen stimmen.“ Nerlich ließ sich nach der Nazi-Zeit in Hersbruck nieder, wo er 2006 im hohen Alter von 95 Jahren starb.

Vittore Bocchetta, Jahrgang 1918, wurde als Mitglied des italienischen Widerstandes im Juli 1944 in Verona verhaftet und nach Flossenbürg verschleppt. Im September 1944 kam er im Viehwaggon in Hersbruck an. Der Bildhauer und Hochschullehrer überlebte als einziges Mitglied der Widerstandsgruppe aus Verona die Strapazen im Lager. Auch er war unter den Häftlingen, die von der SS Anfang April 1945 nach Dachau getrieben wurden. Unterwegs musste er vor Hunger Gras essen, schließlich gelang ihm die Flucht. Seit 2007 steht die Skulptur „Ohne Namen“ des Antifaschisten Bocchetta im Rosengarten am Randes des KZ-Geländes in Hersbruck.
 

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