Manao: Zarte Frauen ließen die Erde beben

3.2.2012, 06:25 Uhr

Stille hängt über dem Saal. Ein dumpfer Schlag setzt ihr plötzlich ein Ende. Ein zweiter folgt, ein dritter – die Töne reihen sich aneinander, der Rhythmus wird immer schneller, steigert sich bis zum Trommelwirbel. Dann ebbt er ab, wird leiser, für das Publikum kaum noch hörbar - bis er wieder anschwillt, den ganzen Saal ausfüllt – und jäh endet. Erster Beifall. Doch die jungen Frauen auf der Bühne, mit den Trommelstöcken in der Hand, legen gleich nach, gönnen ihren Instrumenten keine Pause.

Bis zu 350 Kilogramm wiegen die großen, roten Trommeln, deren Verzierungen auch gleichzeitig auf das Tour-Programm der Gruppe Manao anspielen: Die Flying-Dragon Tour 2012 ist bereits die zweite Deutschland- und Europatournee der sechzehn jungen Chinesinnen.

Weiblich und kraftvoll

Doch die hübschen Damen haben nicht nur Trommeln verschiedener Größen im Gepäck: Das Dulcimer (Hackbrett), ein melodisches Schlaginstrument, sowie das Erhu, ein traditionelles Saiteninstrument, unterbrechen den Percussion-Reigen mit sanften und verspielten Melodien. Bronzene Becken kommen ebenfalls zum Einsatz. Egal welches Instrument die Frauen in die Hand nehmen: Sie kommunizieren damit, mal behutsam und sanft, mal kraftvoll, mal aggressiv. Sie schlagen mit Stöcken, ihren Händen, und sogar mit traditionellen Waffen der chinesischen Kampfkunst auf die Trommeln – nicht nur eine musikalische Höchstleistung. Die Präzision und Harmonie im Zusammenspiel kommt aus dem ganzen Körper, nicht nur aus den Händen.

„Weibliche Trommelkunst ist wirklich anders. Wenn Männer trommeln, wirkt es viel martialischer, irgendwie härter“, findet Ursula Schirmer. Sie ist extra aus Erlangen in die Fürther Stadthalle gekommen, um Manao live zu sehen. Sie trommelt selbst seit sieben Jahren, und anders als bei Laien, ist ihr Blick geübter und wohl auch kritischer. Doch: „Technisch sind sie Spitzenklasse, egal ob in der Gruppe oder als Solistinnen“, so Schirmer. „Die jungen Frauen leisten außerdem körperlich harte Arbeit.“ Die sieht man ihnen kaum an. Konzentriert, aber mit Leichtigkeit geht ihnen ihre Kunst von der Hand. In traditionellen Kostümen mit modernem Schnitt versucht Manao, chinesische Tradition und westliche Moderne nicht nur klanglich zu verbinden. Bühnenbild und Lichteffekte tun ihr Übriges.

Männerwelt erobert

Doch um dort zu sein, wo sie jetzt sind, mussten die jungen Frauen erst mit einer alten Tradition brechen. Denn die chinesische Trommelkunst war den Männern vorbehalten. Frauen mit Schlagstöcken? Undenkbar. Bis vor zehn Jahren, als sich die Gruppe formierte. Rhythmus, Kraft und weibliche Schönheit zu vereinen war das Ziel von Manao.

Die Frauen, alle etwa Mitte zwanzig, stammen aus verschiedenen Provinzen des riesigen Landes. Ihr großer Durchbruch kam erst 2008, als sie im Programm der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele das Publikum begeisterten. In China ist Manao allerdings nur unter dem Namen „Red Poppy Ladies Percussion“ bekannt. Für den internationalen Musikmarkt, auf dem sie von der Münchner Agentur Platinstar GmbH gemanagt und vertreten werden, legten sie sich den Namen Manao zu. „Der Name ist frei erfunden. Er hat keine Bedeutung und kann nicht übersetzt werden“, verrät Bernd Hebertinger von Platinstar. Seit 2008 stehen die sechzehn Damen bei der Musikagentur unter Vertrag, innerhalb Chinas ist jedoch eine chinesische Musikagentur zuständig. „Wir kamen auf Manao durch den Tip eines chinesischen Geschäftspartners – und waren sofort zuversichtlich, dass das ein Erfolg wird“, so Hebertinger.

Natur als Vorbild

An ihren Erfolg geglaubt haben auch die Frauen selbst – trotz anfänglicher Widerstände im eigenen Land, ihrer eigenen Kultur. Ob deswegen einige ihrer Stücke von starken Frauen aus chinesischen Sagen handeln, wie etwa von der mutigen Generalstochter „Mulan“, oder den „Yang Ladies“, die allein ein Dorf gegen Feinde verteidigten? Außer Überlieferungen spiegelt ihre Musik auch die Natur und ihre Klänge wieder; ein häufiges Motiv chinesischer Musik: So etwa zwei zankende Enten, den dramatischen Kampf zwischen Stier und Tiger, oder das Knacken der Walnüsse nach der Ernte. Damit bauen sie Brücken, um dem Publikum ihre Welt zu zeigen. Das scheint gelungen. Jedenfalls im Fall von Susanna Elsässer aus Erlangen: „Man hat das Gefühl, im Land zu sein“.



 

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