Podcast mit Joachim Herrmann

"Mehrheit hat nicht automatisch die Garantie für Wahrheit"

Matthias Oberth

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31.3.2023, 12:00 Uhr
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann war zu Gast im Podcast "Horch amol".

© Stefan Hippel, NNZ Bayerns Innenminister Joachim Herrmann war zu Gast im Podcast "Horch amol".

Sollte die CSU nach der Landtagswahl im Oktober weiter auf der Regierungsbank sitzen - wovon nach den momentanen Umfrageergebnissen auszugehen ist -, dürfte der alte und neue Innenminister Joachim Herrmann heißen.

Mit seinen 67 Jahren und fast 30 Jahren Landtagserfahrung zählt er dann zu den "Dinos" im Maximilianeum, was ihn nicht weiter anficht. Schließlich haben ihn die 16 Jahre, die Herrmann sein Ministerium führt, gestählt, was auch im Podcast "Horch amol" zum Ausdruck kommt.

Druck von der Straße nachgegeben

Es überrascht nicht, dass er die Erfolge der CSU aus den letzten Jahren routiniert abspult. Mit Blick auf die 10H-Regelung, die den Bau von Windrädern quasi zum Erliegen brachte, lässt dagegen das Eingeständnis aufhorchen, dass dem "Druck von der Straße" nachgegeben wurde. "Wir sagen heute, dass kann auf Dauer so nicht gutgehen", verdeutlicht Herrmann. Grund für den Gesinnungswandel sei nicht zuletzt das Abschalten der Kernkraftwerke. Eine Entscheidung der Ampelregierung in Berlin, die Herrmann nicht nachvollziehen kann. Auf Kernkraft zu verzichten und gleichzeitig den Weiterbetrieb von Kohlekraftwerken zu erlauben, sei mit Blick auf die CO2-Bilanz "grober Unfug".

Frage des Demokratieverständnisses

Auf den ersten Blick ungewöhnlich milde Töne kommen von Joachim Herrmann in Richtung "Klima-Kleber", wie die Aktivisten der "Letzten Generation" gerne bezeichnet werden. "Es ist jedermanns gutes Recht, für seine Forderungen auf die Straße zu gehen", sagt Herrmann im Podcast und verweist auf die friedlichen Massenproteste von "Fridays for Future". Es sei aber "ein Problem, wenn jemand mit Gewalt versucht, seine Überzeugung durchzusetzen".

Als Aktionsform sei das "auf die Straße kleben" nicht als Anwendung von Gewalt zu sehen. Allerdings werde es in der Demokratie schwierig, wenn jemand sagt, "die machen jetzt nicht, was ich fordere, und deshalb muss ich es erzwingen". Es sei das "Wesen der Demokratie", dass die Mehrheit entscheidet. Um diese Mehrheit muss man kämpfen, so Herrmann, der den selbstkritischen Satz nachschiebt: "Mehrheit hat nicht automatisch die Garantie für Wahrheit."

Das Recht, für eine anderslautende Meinung auf die Straße zu gehen und sich deutlich zu artikulieren, bleibt für Herrmann ein hohes Gut. Selbst das "Ankleben auf einem Platz" sei legitim. Wenn aber die "Freiheit anderer eingeschränkt wird", gebe es eine Grenze. Klar sei für ihn, dass die "Einschränkung der Bewegungsfreiheit" - also das unangemeldete Blockieren einer Straße - nicht durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt ist. Es stelle die Grundsätze der Demokratie infrage, wenn jemand die Absicht hat, seine "Meinung durchzusetzen, weil die anderen zu dumm sind, es von sich aus einzusehen". (Platzhalter))

Präventivhaft als "absolute Ausnahme"

Beim Thema Präventivhaft plädiert Joachim Herrmann für eine "sorgfältige Prüfung". Es stelle sich die Frage, ob bei einem bereits wegen Nötigung verurteilten Klimaaktivisten, der nach dem Urteil seine nächste Aktion ankündigt, "der Staat tatenlos zuschaut". Ein "Abwägen", welche Maßnahmen ergriffen werden, sei notwendig, und der "längerfristige Gewahrsam", wie Herrmann die Inhaftierung nennt, müsse die "absolute Ausnahme" bleiben.

Bei aller Anstrengung, die in Sachen Klimaschutz unternommen werden müssen, teilt der Innenminister "die Sorge um den Weltuntergang in dieser Form nicht". Er verweist auf Zukunftstechnologien wie den Wasserstoff, dessen Anwendung in Bayern massiv gefördert wird.

Klage gegen Wahlrechtsreform

Nicht fehlen durfte im Podcast die von der CSU scharf kritisierte Wahlrechtsreform zur Reduzierung der Größe des Bundestags. Der bayerische Innenminister macht klar, dass im Grunde die Umsetzung der Urteile des Bundesverfassungsgerichts das Aufblähen des Bundestags zur Folge hatten. "Ich halte es für richtig, das einzudämmen", so Herrmann, aber "jetzt herzugehen und zu sagen, die Direktmandate hätte keine eigenständige Bedeutung mehr, ist nicht das, was das Bundesverfassungsgericht vor 30 oder 40 Jahren entschieden hat". Die Klage gegen die Wahlrechtsreform sei aus seiner Sicht deshalb nur die logische Konsequenz.

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