Mieter verlieren Schlammschlacht um Fürther Pyramide

8.6.2017, 09:39 Uhr
22 Jahre lang beherbergte die Pyramide in Fürth ein Hotel. Das ist mittlerweile geschlossen.

© Hans-Joachim Winckler 22 Jahre lang beherbergte die Pyramide in Fürth ein Hotel. Das ist mittlerweile geschlossen.

Das Ehepaar Erras hat am Donnerstag vor Gericht verloren und muss nicht bezahlte Mieten von 2,5 Millionen Euro nachbezahlen. Zudem fällt ab Mai diesen Jahres monatlich eine  Nutzungsentschädigung von 88.000 Euro an. Der Vermieter hat mit diesem Urteil einen vorläufigen Vollstreckungstitel erworben, das heißt: Hinterlegt der Vermieter eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent, etwa als Bankbürgschaft, könnte der Gerichtsvollzieher die Familie Erras aufsuchen.

Abgeschlossen ist der Rechtsstreit noch lange nicht - das Verfahren wird von Amts wegen fortgesetzt, dann können auch Zeugen und Sachverständige gehört werden. Die Familie Erras hat von Anfang an vorgetragen, über ein Sachverständigen-Gutachten zu verfügen. Überdies sollen zwei volle Ordner mit Mängelbeschreibungen vorliegen. Diese Mängel waren der Grund für die Mietkürzungen.

Mehr als zwanzig Jahre lang war die Fürther Hotel-Pyramide Blickfang und Tagungshotel – mit gut 40 Mitarbeitern führten Herbert und Petra Erras ein Haus mit viereinhalb Sternen in einem architektonisch außergewöhnlichen Gebäude. Ein berufliches Lebenswerk, das im September 2016 endete, die Familie sperrte ihren Betrieb zu.

Rückblick: In den letzten Jahren wechselten die Eigentümer des markanten Glaspalastes immer wieder, zeitweise stand das Haus unter Insolvenzverwaltung. Nun steht die Sepia Ledium Property GmbH im Grundbuch, sie gehört zum Immobilienunternehmen Grand City Property, einer Vermietergesellschaft mit Hauptsitz auf Zypern. Ein wenig durchsichtiges Firmengeflecht – nicht nur der Name der Firma änderte sich mehrfach, zuletzt wurde auch der Geschäftsführer ausgewechselt.

Eben jene Firmengruppe erwarb das Bauwerk 2012 äußerst günstig – ein Preis, der laut der Familie Erras durch die beträchtlichen Mängel, die im damaligen Kaufvertrag festgehalten sind, erklärbar wird – doch ausgebessert wurde nie.

Aus Sicht der Hoteliers-Familie begann damals der Niedergang des Fürther Luxushotels. Seit der Eröffnung 1994 gingen dort beinahe 40.000 Kongresse, Tagungen und Veranstaltungen über die Bühne – und nun mussten die Pächter erleben, dass plötzlich die automatischen Schiebetüren im Tagungssaal nicht mehr schlossen. Ein Fehlalarm wurde ausgelöst, die Feuerwehr rückte an. Der Brandschutz war nicht mehr gewährleistet. "Vieles war nicht mehr hinnehmbar", sagt Petra Erras.

Was sie meint, zeigen Fotos, die sie dem Richter zu Prozessbeginn bereits im April 2017 vorgelegt hat. In den edlen Wannen der Marmor-Bäder steht das Wasser, schlammbraun. Die Wut der Gäste an der Rezeption will man sich nicht vorstellen. Herbert Erras bedauert bis heute seine damaligen Mitarbeiter, hatten sie doch kaum eine Chance, Lösungen zu finden.

1200 Fotos, 86 Seiten Gutachten

War die Hoteliers-Familie zur Untätigkeit gezwungen? Zumindest fiel im Gerichtssaal auf, dass sich die Vertreter der Investorengruppe mit keinem Wort über die Mängel äußerten. Zur Verkündung der Entscheidung ließ sich kein Vertreter der Investorengruppe blicken.

Im Januar 2015 habe sie dem Vermieter geschrieben und angeboten, im Wege eines Beweissicherungsverfahrens einvernehmlich einen Gutachter zu bestellen, um die Mängel im Hotel festzuhalten, trägt Petra Erras vor. Sie habe damals keine Antwort bekommen, sagt sie. Schließlich ließ sie den Zustand der Zimmer mit 1200 Fotos dokumentieren und ein 86 Seiten starkes Gutachten anfertigen, um es den Eigentümern vorzulegen. Das Ergebnis des Gutachtens führte dazu, dass die Familie die Miete, gut 110.000 Euro monatlich, massiv kürzte.

Dies führte zum Rechtsstreit mit den Eigentümern – per Zivilklage fordert die Investorengruppe nun rund 1,4 Millionen Euro Mietrückstände samt Zinsen nach. Am Donnerstag gab das Gericht dem Kläger recht.

Schiedsgericht statt Justiz

Die Vertreter der Investorengesellschaft verwiesen  im Vorfeld auf eine Klausel in dem bereits 1994 geschlossenen Pachtvertrag: Demnach wäre die ordentliche Justiz für den Streit nicht einmal zuständig. Damals wurde festgeschrieben, dass im Fall eines Rechtsstreits ein Schiedsgericht angerufen wird, braucht es einen Gutachter, dürfte dies nur ein gemeinsam bestellter Sachverständiger der Industrie- und Handelskammer sein.

Überdies stützte sich die Investorengruppe auf eine rechtlich komplizierte Konstruktion und führt die Klage im "Urkundenprozess": Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass der Vermieter von Wohnraum rückständige Miete im Urkundenprozess geltend machen kann, auch wenn der Mieter Mängel der Wohnung einwendet. Sämtliche zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen müssen durch Urkunden bewiesen werden. Dass die Pachtforderung bestand, ist unstrittig und durch Verträge zu belegen.

Erst im sogenannten "Nachverfahren" wird mit allen im Zivilprozess zugelassenen Beweismitteln festgestellt, ob die Familie Erras berechtigt Mängel geltend gemacht hat, die Mängel sind von ihnen als Beklagte zu beweisen.

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