Mit.Menschen: Mit Fritz Stiegler im Haselnussfeld

3.12.2020, 05:55 Uhr

Chantal heißt nicht Chantal, das Huhn hat keinen Namen. Fritz Stiegler aber nennt den Ausreißer Chantal, wahrscheinlich weil dieser Name fürs Fränkische erdacht worden ist und weil er seinen Gast auf den Arm nehmen will. Schandall also, kennt er den alle seine Hühner beim Namen? Das Fragezeichen ist kaum gesetzt, da grinst Stiegler bereits.

Eigentlich sollte die zwölfte Folge von Mit.Menschen in der Wohnstube der Stieglers aufgenommen werden. Das „eigentlich“ steht aber für eine unzureichende Netzabdeckung im Fürther Landkreis und die Sorglosigkeit des Podcasters. „Netz“, sagt Stiegler also, hätten sie schon hier in Gonnersdorf. Am besten sei es im Haselnussfeld. Keine zehn Minuten später startet der Podcast – zwischen Haselnussbäumen, bei Temperaturen um den Gefrierpunkt.

Das Massaker von Oradour

Stiegler wird es selbst in den folgenden 75 Minuten nicht kalt. Der Mann hat schon echte Kälte erlebt und echten Durst. Am Ende des Podcasts erzählt er davon, dabei sollte es um Fußball gehen. Aber so ist der 59 Jahre alte Stiegler, Bauer, Mundartdichter, der Mann, der die Musicals für die Burgfestspiele Cadolzburg, Gedichtbände, Romane und Liebeserklärungen an Franken geschrieben hat – ein begnadeter Geschichtenerzähler.

Seine „Mademoiselle Marie“ hat Robert Hébras, einen von sieben Überlebenden des Massakers von Oradour, gerührt. Auch von diesem Moment in dem Dorf in Frankreich, in dem die Waffen-SS beinahe alle Männer erschoss und Frauen und Kinder in einer Kirche verbrannte, erzählt Stiegler. Und plötzlich ist es im Haselnussfeld ganz warm, weil auf unerträgliches Grauen etwas Wunderbares folgen kann.

Unvergessliches im Städtischen Stadion

Und so wechseln sich auch in diesem Podcast leichte, lustige Momente mit tiefgründigen Sätzen ab, über unsere Zeit, in der „gerade das Wegsehen“ wieder kultiviert wird, über „des Madla aus Schweden“ und natürlich über den Club und das Kleeblatt, weil Stiegler natürlich auch noch Fußballer ist, Alte Herren, zweimal in der Woche. Sein Vater hatte ihn einst mit ins Städtische Stadion genommen, vom Spiel gegen den VfB Stuttgart ist ihm aber nur das Ergebnis in Erinnerung geblieben. Etwas anderes kann er noch ganz genau beschreiben. Auch das hört man in diesem Podcast.

Man hört Chantal, mehrmals, oder vielleicht Pauline oder Babette, wie auch immer die Hühner wirklich heißen mögen. Und man hört den Reißverschluss der Winterjacken an den Mikrofonen rascheln. Die zwölfte Folge von Mit.Menschen ist authentisch geworden, urfränkisch – so wie Fritz Stiegler wohl tatsächlich ist. Nachdem die Aufnahme gestoppt ist, geht das Gespräch weiter, die Sonne scheint gerade so schön. Irgendwann sagt Stiegler: „Da schreib‘ ich auch noch ein Buch drüber.“ Hoffentlich.


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