Nach vier Jahren im Gefängnis: Er hat wieder seinen Frieden gefunden

18.12.2020, 09:55 Uhr
Jürgen Bauer weiß, welche Haken das Leben schlagen kann. Inzwischen lebt er in einem kleinen, möblierten Apartment der Stadtmission in Nürnberg.

© e-arc-tmp_20191125-101517-002.jpg, NZ Jürgen Bauer weiß, welche Haken das Leben schlagen kann. Inzwischen lebt er in einem kleinen, möblierten Apartment der Stadtmission in Nürnberg.

Jürgen Bauer hat seinen Balkon, schattig zwar, aber die Tomaten sind in diesem Sommer dennoch gewachsen wie verrückt. Jeden Tag spielt er auf der Gitarre, stundenlang, die Zeit vergessend. Bauer liebt den Blues. Im Gespräch setzt er manchmal zu einem Lied an und wenn er mit rauer Stimme singt, ist zu hören: Der 67-Jährige weiß, was das Leben für Haken schlagen kann und wie groß das Glück ist, das in seinem genügsamen Alltag liegt.

Er saß "im Mausloch"

Vier Jahre lang war Jürgen Bauer in der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Amberg. „Jede Familie hat ein schwarzes Schaf“, sagt er, „in unserer bin ich es“.

Mit 14 hatte er seine Lehre zum Automechaniker abgebrochen, er holte das Fachabitur nach, doch nach wenigen Semestern schmiss er das erste Studium und schließlich auch das zweite. Bauer stromerte durch das Leben, mal musizierte er auf der Straße, mal malochte er am Bau.

Drogendelikte und eine Körperverletzung mit Todesfolge, die er mit Notwehr begründete, brachten ihn schließlich ins Gefängnis, „ins Mausloch“. Die Zelle sei klein gewesen, vergittert, verschlossen. Er fühlte sich „wie eine Pflanze ohne Sonne und Wasser“ – lieber würde er sterben, als jemals wieder straffällig zu werden, schwor er sich.

Er wusste: Dort wartet jemand auf ihn

Im November 2018 wird Jürgen Bauer vorzeitig entlassen. Mit zwei großen Taschen steht er vor dem Gefängnistor. Er fährt sofort nach Nürnberg, zum „Arbeitskreis Resozialisierung“ (AK Reso) der Stadtmission. Schon im Gefängnis hat er davon erfahren und in einem Brief um Unterstützung gebeten. „Ich wusste, dort wartet jetzt jemand auf mich“, erinnert sich Jürgen Bauer. „Die haben mir auf die Beine geholfen. Keine Ahnung, was sonst aus mir geworden wäre.“

Seitdem wohnt der 67-Jährige in einem der 33 kleinen Apartments, die der AK Reso in Nürnberg angemietet und möbliert hat. Ehemalige Häftlinge leben dort für eine Übergangszeit und werden im Alltag unterstützt.

Mit seinem Betreuer ist Jürgen Bauer inzwischen gut befreundet, er empfindet tiefe Dankbarkeit. Für den Balkon, auf dem im Sommer Tomaten wachsen. Für die Freude, die er beim Spielen auf der Gitarre spürt. Für den Frieden, den er wieder gefunden hat.

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