Versteckte Abtreibungspille

Neue Folge "Abgründe": Die tödliche Mokkacreme

Ulrike Löw

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30.12.2022, 06:00 Uhr
Das Medikament war in einer Mokkamousse versteckt - nach dem Genuss des Dessert verlor eine junge Frau ihr ungeborenes Kind. 

© Philipp Brandstädter, NN Das Medikament war in einer Mokkamousse versteckt - nach dem Genuss des Dessert verlor eine junge Frau ihr ungeborenes Kind. 

Als sie die Portion Mokkacreme gegessen hatte, bekam die schwangere Frau Unterleibsschmerzen, sie verlor ihr Kind. Später war klar: Ihr Freund hatte dem Dessert eine Abtreibungspille untergemischt.

Hatte das Medikament gewirkt - oder hatte die junge Frau eine Fehlgeburt erlitten? Im Sommer 2016 beschäftigte sich das Amtsgericht Nürnberg mit den Umständen dieser Tat. Schwangerschaftsabbruch gegen den Willen der Schwangeren lautete der Vorwurf, der damals 24-jährige Angeklagte Harry H. (Namen der Betroffenen geändert) sprach vom "Fehler seines Lebens".

Er gab zu, dass er am Abend des 21. März 2015 seine damalige Freundin Nora besucht hatte und ihr eine Mokkacreme, versetzt mit der Abtreibungspille Mifegyne, servierte. Das Medikament hatte er vorher in Tschechien besorgt. Er wollte unter keinen Umständen Vater werden, die Beziehung zwischen ihm und Nora war rein sexueller Natur. An diesem Abend rief Nora, geplagt von Krämpfen, den Rettungsdienst. Sie erlitt einen Abgang, und zu allem Überfluss machte Harry H. gleich darauf auch noch per Textnachricht aufs Handy mit ihr Schluss.

Rasch kam ihr der Verdacht, dass mit der Mokkacreme etwas nicht gestimmt hatte. Nach einer Blutprobe wurde das Medikament "Mifegyne" nachgewiesen. All dies klang nach einem miesen Plan und einer einfachen Beweisführung.

Doch die Beweisaufnahme im Amtsgericht verlief komplex. Eben weil das Verfahren in der Öffentlichkeit für Aufsehen sorgte, meldete sich die Firma, die Mifegyne vertreibt, und auch ein Gynäkologe bei den Juristen: Aus deren Sicht könne die einmalige Einnahme von "Mifegyne" nicht zum Abgang geführt haben.

Die Verteidigung sprach daher nur von einem versuchten Schwangerschaftsabbruch – freilich ist auch der Versuch strafbar. Und der Staatsanwalt erweiterte seine Anklage und warf H. nun vor, dass er seiner Ex-Freundin auch einen Döner und eine Portion Sushi, versetzt mit Mifegyne, aufgetischt hatte. Dass mehrere Gaben den Abort auslösten, hielt auch der Rechtsmediziner für wahrscheinlicher.

Am Ende wurde der Nürnberger zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Die geschädigte Frau hatte im Zeugenstand erklärt, dass sie nur hoffen könne, dass sie mit der Tat irgendwann einmal abschließen könne. Über ihr Schicksal hatte sie in TV-Interviews und in einer Talkshow berichtet. Über nähere Hintergründe der Tat berichten wir in unserem Podcast Abgründe, zu hören ist er ab 30. Dezember. Zu finden ist er unter nordbayern.de und überall, wo es Podcasts gibt.

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