Angeblicher Nachtrunk riss Promille-Wert nicht raus

14.9.2019, 10:49 Uhr
Angeblicher Nachtrunk riss Promille-Wert nicht raus

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Staatsanwalt Kim-Young Weißschädel hatte gerade sein Plädoyer beendet, da fiel ihm auf, dass dem jungen Mann, der wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs vor dem Jugendgericht Neumarkt stand, auch wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort am Zeug geflickt werden könnte. Er sattelte fairerweise nichts mehr drauf, aber Richter Michael Müller nahm die Anregung dankend auf.

Der knapp 20-jährige Oberbayer war am 5. Februar dieses Jahres kurz nach Mitternacht mit einem Dienstwagen zwischen Meckenhausen und Freystadt unterwegs. Auf der Brücke über die Schwarzach verlor er die Kontrolle über das Fahrzeug und krachte ins Brückengeländer. Dabei entstand ein Schaden von 3000 Euro. Der Unfallfahrer erlitt eine Platzwunde.

Zwei Seidel gegönnt

Zu Fuß machte er sich auf den Weg nach Freystadt, wo er zu übernachten gedachte. Angeblich hat er sich in einer Wirtschaft noch zwei Seidel Bier gegönnt. Die Polizei traf einige Zeit nach dem Unfall an der Brücke ein und fand das leere Auto. Zwei Streifenbesatzungen machten sich in der kalten Nacht auf die Suche nach dem Fahrer. Dem hätte, falls er unter Schock gestanden hätte, in der Winterkälte Unterkühlung gedroht, wenn nicht Schlimmeres.

Dann bekamen die Beamten Meldung von einem Verletzten in Freystadt. Der war aber, als sie eintrafen, schon vom BRK ins Klinikum Neumarkt gebracht worden. Dort nahmen sie ihn ins Gebet und er stimmte auch zwei zeitlich versetzten Blutproben zu. Der höchste Wert betrug 1,67 Promille.

Da er aber einen Nachtrunk geltend machte, wurde der Rechtsmediziner Professor Peter Betz hinzu gezogen. Der ermittelte anhand der Daten, die ihm zur Verfügung standen, dass der junge Mann zum Unfallzeitpunkt mindestens 1,1 Promille Alkohol im Blut hatte und damit absolut fahruntüchtig war. Sein Anwalt, Klaus Aigner, regte ein Rechtsgespräch an, um Richter und Staatsanwalt von einer Einstellung des Verfahrens unter bestimmten Auflagen zu überzeugen. Damit hatte er aber kein Glück.

Daraufhin gab er die Erklärung ab, dass sein Mandant die Trunkenheitsfahrt einräume. Aigner legte dem Gericht eine Bescheinigung vor, dass der junge Mann sich einer medizinischen Kontrolle unterziehe und seit dem Unfall keinen Alkohol mehr getrunken habe. Letzte Tests bestätigten dies.

Eine Vertreterin der Jugendgerichtshilfe war aus dem Heimatlandkreis des jungen Mann angereist und regte an, Jugendstrafrecht auf ihn anzuwenden. Er sei noch in der Ausbildung und wohne bei den Eltern. Die Alkoholfahrt selbst sei jugendtypisches Verhalten.

Noch Jugendrecht angewandt

Er sei fast geneigt, Erwachsenen-Strafrecht anzuwenden, meinte Staatsanwalt Weißschädel. Denn wer die Rechte eines Erwachsenen genieße, müsse auch die Pflichten erfüllen. Letztendlich aber folgte er dem Rat der Gerichtshilfe und wandte Jugendrecht an. Er forderte eine Geldauflage von 1500 Euro und eine weitere Führerscheinsperre von acht Monaten. Seit Anfang Februar ist der Schein schon weg.

Im Übrigen glaube er das mit dem Nachtrunk nicht. "Wenn Sie nach einem Unfall nichts anderes im Sinn hatten, als in einer Wirtschaft zwei Bier zu kippen, dann haben Sie meiner Ansicht nach ein echtes Alkoholproblem".

Dagegen hielt Klaus Aigner den Nachtrunk für nicht widerlegbar. Er gab zu bedenken, dass sein Mandant nur eine sehr kurze Strecke gefahren sei. Da er derzeit auf die Eltern angewiesen ist, um von Zuhause an den Arbeitsplatz zu kommen, seien weitere achte Monate Führerscheinsperre schon sehr hart. Drei Monate sollten es auch tun, verbunden mit einer Geldauflage.

Wie üblich hatte der Angeklagte das letzte Wort und das nutzte er klug. Es sei verantwortungslos von ihm gewesen, betrunken zu fahren, sagte er. Er sei heilfroh, dass nichts Schlimmeres passiert ist.

Da stimmte ihm Richter Michael Müller gern zu. Er verurteilte ihn wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs und unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldauflage von 1400 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung und zu einer Führerscheinsperre, die es untersagt, ihm vor Ablauf von sechs Monaten ein neues Dokument auszustellen.

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