Architektur mit Schrecksekunden

25.11.2011, 00:00 Uhr
Architektur mit Schrecksekunden

© Wolfgang Fellner

Es war wie erwartet, der Saal im Maybach-Museum bestens gefüllt, Johannes Berschneider, spiritus rector der Vortragsreihe Architektur & Baukultur, bester Laune. Es grenzt schon an die Qualitäten von Altmeister Harald Schmidt, wenn Berschneider seine Sponsoren launig präsentiert und anpreist, die Gäste begrüßt und sinniert, warum mancher da ist und der andere nicht: „War da was?“ Und sich einmischt in die aktuelle Diskussion in der Stadt: „Das ist der Sohn, dessen Vater das Untere Tor einreißen will. Ist der Herrmann auch da?“

Dem riet er, davon doch Abstand zu nehmen – war das Untere Tor seinerzeit doch ein Projekt aus dem Hause Berschneider. „Reißt es nicht ab, ihr wisst nicht, ob ihr es nicht noch einmal braucht“, sagte Berschneider, wer weiß, was sich am Unteren Tor tue. Und: „Wenn doch, mache ich eine Sitzblockade davor.“

Nachklapp auf Hochdeutsch

Er hat die Lacher in dieser Runde immer auf seiner Seite, es fehlt nur noch ein Manuel Andrack. Doch den gibt es inzwischen auch, in Form von Jörg Bauer, dem Kopf der Gipfelstürmer. Der singt den Gast mit ein paar Gstanzln ein, damit er gleich weiß, wo er ist. Was nicht fehlen darf, ist die Frage: „Verstandn hamm'S des net, göll?“ Deshalb gab es auch diesmal einen Nachklapp auf fast Hochdeutsch, über die Madln: „Hatt i da a Madl aus Altona, om rum woas a Weib, untn rum am Ma.“

Denn: In Hamburg-Altona residiert das Büro blauraum; einer der Gründer ist eben Rüdiger Ebel. Er wie die anderen blauraum-Gründer arbeitete anfangs für den Hamburger Architekten Hadi Teherani – und der ist in Neumarkt eigentlich kein Unbekannter. Sein Büro schuf das Hauptverwaltungsgebäude der Pfleiderer AG an der Ingolstädter Straße, setzte hier einen Fixpunkt. Das Gebäude befindet sich inzwischen im Besitz eines privaten Investors; die DIC Asset hatte es 2005 erworben und dann den Bau mit 9500 Quadratmeter Bürofläche an einen Privatinvestor weiterverkauft.

Doch zurück zu blauraum und Rüdiger Ebel. Mit „Texturen“ war der Vortrag überschrieben. Texturen sind Ausarbeitungen dreidimensionaler Modelle, ohne dabei aber zu sehr ins Detail der Architektur zu gehen. Es sind Darstellungen, die zeigen, was werden könnte, wenn der Auftraggeber will. Was es so spannend machte: Ebel zeigte bei den Projekten durch die Bank zuerst Texturen – und erst später stellte sich für den Zuhörer heraus, ob das Projekt realisiert worden ist.

Da mischt sich dann Architektur mit Philosophie. Wenn die Balkone der Hansa-Terrassen von Mustern geprägt sind, die einem Flash-Code nachempfunden sind, um die Anonymität der Stadt zu dokumentieren. Oder wenn die Gebäude des Laser-Zentrums Hamburg Nord dem gebrochenen Verlauf der Lichtstrahlen nachempfunden und somit gebrochen werden. Erschreckend und beeindruckend zugleich das Projekt „Treehouses Bebelallee“; da rüstete blauraum Häuserblocks aus den 50er Jahren mit neuen Etagen auf, während die Mieter in ihren Wohnungen blieben. Die aufgestockten Maisonette-Wohnungen zieren Schindeln aus Alaska-Zeder, die Häuser Ziegelfassaden: „Das ergibt eine archaische Anmutung.“

Doppelter Hingucker

Was sich machen lässt, zeigte sich beim Umbau eines Bürohauses aus den 70er Jahren in ein Wohnhaus mit 15 Parteien. Besonders beeindruckend: Das Gebäude zieren nun ausstülpende Kuben, in denen sich die Bewohner Wohnraum neu erschließen konnten. Und die Fassade ist mit rotbraunem Holz verkleidet – ein doppelter Hingucker.

Sonderpunkte sammelte Ebel bei der Präsentation des Projektes „F-lagshipstore“ in Hamburg. Da hat blauraum für den Taschenhersteller Freitag einen Verkaufsaltar geschaffen, der seinesgleichen sucht. Johannes Berschneider mag da nur gelächelt haben – er war wohl der Erste im Kreis, der mit den aus Lkw-Planen und konventionellem Autozubehör gefertigten Umhängetaschen, unkaputtbar und stylish, unterwegs war, wie er bei einem Interview bei den NN, knapp zehn Jahre mag es her sein, verriet. Nun werden die Taschen auch in Hamburg verkauft.

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