"Auf Ehrenmann gemacht": Verhandlung wegen Schlägerei

24.9.2020, 11:07 Uhr

Entsprechend zäh gestaltete sich die Wahrheitsfindung. Denn es ist in solchen Fällen eher die Regel, dass viele Zeugen auch viele Sichtweisen haben. Nach vier Stunden Verhandlung und der Anhörung von 14 Zeugen ergab sich nur ein ungefähres Bild der Vorgänge in dieser Nacht.

Verhandelt wurde vor dem Jugendgericht Neumarkt unter Leitung von Richter Michael Müller. Jugendgericht, weil einer der drei Angeklagten zum Tatzeitpunkt erst 18 Jahre alt war. Verurteilt wegen vorsätzlicher Körperverletzung, Besitzes einer verbotenen Waffe und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen wurde dann auch nur er. Sein 24 Jahre alter Kumpel wurde frei gesprochen, das Verfahren gegen den 42 Jahre alten Mitangeklagten gegen Auflagen eingestellt.


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Möglicherweise war die Auseinandersetzung des jüngsten im Trio mit einem anderen Volksfestbesucher der Funke, der die Streiterei ausgelöst hatte. Der 18-Jährige war sich mit einem jungen Mann in die nicht vorhandenen Haare geraten, der sich mit einem T-Shirt zur eher linksliberalen Haltung der "Toten Hosen" bekannte, die stark im Widerspruch zu der des jungen Glatzkopfs steht.

Es gab vermutlich deftige Beleidigungen von beiden Seiten und, wie der junge Angeklagte zugab, auch Watschen. Er habe sich zusammengerissen, weil der andere einen Kopf kleiner war, machte er auf Ehrenmann. Der Geohrfeigte sagte als Zeuge aus, hatte aber angeblich gar keine Erinnerung mehr an den Vorfall.

Einige Zeugen sprachen von einer verbalen Auseinandersetzung der rechtslastigen Truppe mit Ausländern und einem Behinderten, den sie beleidigt haben sollen.

"Da draußen braut sich was zusammen", wurde dem Leiter der Sicherheitsgruppe in der Großen Jurahalle, mitgeteilt. Er ging deshalb in den Verbindungsbereich zur Kleinen Halle, wo sich die zwei Gruppen junger Leute zeternd gegenüber standen. Er habe versucht, beruhigend auf sie einzuwirken. Die rund zehn Mann mit vermutlich Migrationshintergrund machen sich aus dem Staub, die Glatzen schimpften weiter.

Schlag von hinten

Als er sah, dass er gegen das Krakeelen nichts ausrichten konnte, habe er sich abgewandt, berichtete der Zeuge vor Gericht. Da habe er einen Schlag von hinten bekommen, der ihn nach vorn taumeln ließ. In dem Moment griffen drei Mitarbeiter der Sicherheitstruppe ein. Sie verhinderten nach eigener Aussage einen weiteren Schlag auf den Kopf ihres Kollegen und brachten den 42-Jährigen, den sie für den Angreifer hielten, zu Boden.

Der wehrte sich heftig und zog sich dabei blutende Wunden im Gesicht zu. Als er sich, so sein Anwalt Markus Meier, in seiner Bedrängnis nicht mehr zu helfen wusste, biss er herzhaft zu. Blutergüsse und eineblutende Wunde waren die Folgen. Rund eine Woche war der Security-Mann krank geschrieben. Den Sachverhalt räumte der Wadlbeißer ein, hat sich dafür entschuldigt und als Schmerzensgeld 3000 Euro überwiesen. Eine Zeugenaussage, die ihn als friedfertigen Schlichter darstellen sollte, wurde nicht weiter beachtet.

Der 24-jährige Mitangeklagte war beschuldigt worden, einem Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes eine Watsche oder einen Faustschlag auf die Backe verpasst zu haben. Das bestritt er, auch das Opfer konnte sich nicht mehr daran erinnern, wer es denn gewesen war. Dass er den 24-Jährigen bei der Polizei als Täter benannt habe, wie der Polizist ausgesagt hatte, wollte er nicht bestätigen.

Anwältin Anita Rupprecht und ihr Kollege Markus Meier baten um ein Rechtsgespräch mit Richter Müller und Staatsanwältin Lisa Rackl. Das Ergebnis:Im Fall des 42-Jährigen könne das Verfahren eingestellt werden mit einer Geldauflage, 500 Euro an den Verein "Chancen statt Grenzen", der 24-Jährige werde frei gesprochen. Gegen ihn sei kein Tatnachweis zu führen. So lauteten dann auch die entsprechenden Urteile.

Der Jüngste im Trio war letztendlich geständig, die Ohrfeigen betreffend und die beiden anderen Straftaten, die ihn als Anhänger der rechten Szene ausweisen.Aber er sei kooperativ gewesen, wurde ihm bestätigt. Er hatte den Safe geöffnet, in dem sich der verbotene Schlagring befand, hatte sein "Zweithandy" abgeliefert und zugegeben, ein Hitlerbild auf Facebook gepostet zu haben.

Die Mitarbeiterin der Jugendgerichtshilfe hatte ihm bescheinigt, unter problematischen Verhältnissen groß geworden zu sein. Trotzdem schaffte er die Schule und wird 2021 seinen Berufsabschluss machen. Das rechte Gedankengut, das sich in seinem Kopf eingenistet hat, sei ihm nicht auszutreiben. Sie plädierte dafür, bei ihm Jugendrecht anzuwenden. Das tat Staatsanwältin Rackl und forderte Sozialstunden oder eine Geldstrafe. Richter Müller entschied auf 600 Euro für den Hospizverein Neumarkt.

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