Bessere Chancen für Murat und Ayse?

23.12.2010, 22:52 Uhr
Bessere Chancen für Murat und Ayse?

© dpa

Berhane Abraham ist optisch kein typischer Deutscher. Er hat eine dunkle Hautfarbe und stammt eigentlich aus Äthiopien. Der heute 33-Jährige wurde adoptiert und lebt seit seinem fünften Lebensjahr in Deutschland. Nach seinem Studium musste er sich bewerben — ganz konventionell mit Lebenslauf, Lichtbild und Anschreiben.

Seine ausländischen Wurzeln, die zweifelsfrei aus seinen Unterlagen hervorgingen, störten die Personaler nicht. Abraham überzeugte mit guten Noten und Persönlichkeit. Heute entscheidet er selbst, wer eingestellt wird. Der 33-Jährige ist Leiter des Personalmanagements am Neumarkter Klinikum.

Wichtige Daten

„Uns schicken Bewerber ihre ganz normalen Unterlagen mit Lebenslauf, Anschreiben und Zeugnissen“, sagt Abraham. Und das soll erstmal auch so bleiben. Von einer anonymen Bewerbung hält der 33-Jährige nichts.

„Aus dem Lebenslauf gehen oftmals wichtige Daten hervor“, sagt der Personalchef. Und überhaupt: Das Alter des Bewerbers könne man auch ohne anonyme Form leicht ableiten. Denn wie viele Jahre jemand für seinen Schulabschluss benötigt hat, muss sowieso angegeben werden.

Ein anonymes Verfahren könne teilweise den Einstieg erleichtern, meint der Experte. Doch wenn eine Firma keinen Ausländer oder keine älteren Mitarbeiter einstellen möchte, wird sie diese spätestens beim Vorstellungsgespräch aussortieren. „Die Problematik verschiebt sich nur. In den Köpfen der Menschen muss etwas passieren“, so Abraham. Damit die Personalchefs ihre Einstellung künftig nachhaltig ändern, soll sich in spätestens einem Jahr keiner mehr mit Namen oder Angaben zum Geschlecht oder Alter bewerben müssen. Das möchte zumindest die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. In Deutschland beteiligen sich fünf Unternehmen an einer einjährigen Pilotstudie: L‘Oreal, Deutsche Post, Deutsche Telekom, Procter&Gamble und MyDays.

Auch in der Personalabteilung von Pfleiderer in Neumarkt sieht man wenig Sinn in einem anonymen Verfahren. Personalleiterin Brigitte Eichhammer kann sich nicht vorstellen, dass es einen Nutzen mit sich bringt. „Das Alter könnte man bei uns heute schon weglassen. Denn für uns sind auch ältere Bewerber interessant. Sie bringen Qualifikationen und Know-how mit“, meint Eichhammer. Wichtig sei das Profil des Kandidaten, beispielsweise welche beruflichen Stationen er schon hinter sich hat und welchen Schulabschluss er vorweisen kann — Alter hin oder her.

Die Mittelstandsunion, Kreisverband Neumarkt, führt noch ein weiteres Argument an: „Wir haben nichts dagegen, wenn sich ein Unternehmen freiwillig für ein anonymes Bewerbungsverfahren ausspricht. Grundsätzlich würde ein solches Verfahren aber zu erheblich mehr Bürokratie und Kosten führen“, sagt Günther Braun.

Mehraufwand befürchtet auch Ruth Kirchinger-Mally, Personalleiterin bei der Stadtverwaltung. Eine anonyme Bewerbung bringe langfristig keine Erleichterung. „Wenn ich wenig über die Bewerber weiß, muss ich alle zum Vorstellungsgespräch einladen“, sagt sie. Sicherlich erhöhe das im ersten Moment die Chancen.

Wenn die Aspiranten aber dann vor einem sitzen, zeige sich sehr schnell, dass der ein oder andere doch nicht geeignet ist.

„Wenn ich das von Anfang an weiß, spare ich mir unnötige Gespräche und damit Zeit“, sagt die Personalerin. „Entscheidend ist und bleibt die Qualifikation.“