Das Dampfross hing sicher am Haken

30.5.2013, 10:05 Uhr
Das Dampfross hing sicher am Haken

© Edgar Pfrogner

Einen passenderen Ort als den sanierten und deshalb unlängst auch mit der Denkmalschutzmedaille prämierten Bahnhof Greißelbach hätte man für die Feierlichkeiten zum Jubiläum „125 Sulztalbahn“ gar nicht finden können. Nicht nur, weil an dieser Stelle sich Bundesstraße, Ludwigskanal und die frühere Bahntrasse kreuzen. Hier zweigte auch die so genannte „Lerzerbahn“ ab: Bis Freystadt schnauften ab 1888 so legendäre Loks wie der „Glaskasten“ und der „Freystädter Bockel“ mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 45 Stundenkilometern von Ost nach West und von West nach Ost.
Seit gestern ist der original „Bockel“ nun wieder zu Hause, wenigstens für ein paar Wochen. Ein Tieflader brachte die Dampflokomotive 98 507, Baujahr 1903, von Ingolstadt zum Greißelbacher Bahnhof, der heute das Herzstück des „Innovationszentrums“ von Bögl bildet.


Und beim Anblick der alten Lok wird auch so manchem das Herz aufgehen. Nicht zuletzt Sulztalbahn-Freund Christoph Meier, dessen Buch „Nebenbahn Neumarkt — Beilngries“ pünktlich zum Jubiläumsfest vorliegt. „Es gibt noch viele Leute, die in den 50er Jahren mit dem Bockel zur Schule gefahren sind“, sagt er.
Der Bahnhof Greißelbach — damals hieß er noch „Greißlbach“ — wurde am 1. Juni 1888 an der 27 Kilometer langen Nebenbahn Neumarkt — Beilngries (Sulztalbahn) offiziell in Betrieb genommen und diente als Abzweigbahnhof für die zehn Kilometer lange Strecke nach Freystadt.
Der Volksmund nannte diese Zweigbahn „Lerzerbahn“, nach dem Thannhausener Bürgermeister Johann Baptist Lerzer, der als Mitglied der Bayerischen Abgeordnetenkammer und des Deutschen Reichstages den Bau der Nebenstrecke forciert hatte. So bekam neben Freystadt auch Thannhausen einen Haltepunkt. Und als drittes noch Sulzbürg. Das heißt aber nicht, dass die Dampfloks den steilen Berg hinauf mussten: „Der Sulzbürger Bahnhof lag sinnigerweise unten im Tal in Rocksdorf“, erzählt Christoph Meier.

 Bis 1947 zog der so genannte „Glaskasten“ die Waggons. Dieser wurde vom „Bockel“ abgelöst, der bis zur Einstellung des Personenzugverkehrs im Juli 1960 unermüdlich im Einsatz war. Als schließlich Omnibusse den Personentransport nach Freystadt übernahmen, wurde die kleine 98 507 ausgemustert.
Weitsichtige Eisenbahner erkannten rechtzeitig den Wert der einzig verbliebenen Dampflok der ehemaligen bayerischen Gattung D XI. Sie verhinderten die Verschrottung der Lok, die im Ausbesserungswerk Weiden konserviert wurde. 1968 wurde der „Bockel“ vor dem Empfangsgebäude am Ingolstädter Hauptbahnhof aufgebockt, nachdem sich der Ingolstädter Stadtrat um ein Denkmal bemüht hatte, zum Gedenken an das ehemalige Ausbesserungswerk Ingolstadt.
Die 98er steht nun schon seit 45 Jahren auf dem Sockel in Ingolstadt und ist mittlerweile Eigentum der Stadt Ingolstadt. Sie wird schon seit vielen Jahren vom Wahlkurs „Apian-Eisenbahn-Kabinett“ des dortigen Apian-Gymnasiums gepflegt. Im Rahmen der Feierlichkeiten zum Jubiläum „125 Jahre Sulztalbahn“ kehrt nun diese Dampflok wieder an ihre letzte Wirkungsstätte zurück.
Auf der Nebenstrecke nach Freystadt rollten noch einige Jahre lang Güterzüge, 1977 wurde sie endgültig stillgelegt. Mit dem Bau des Rhein-Main-Donau-Kanals kam das Aus der gesamten Sulztalbahn, die zweitweise auch eine Verlängerung bis Dietfurt (1909—66) und eine Durchbindung nach Eichstätt (1934—55) hatte. Am 25. September 1987 verkehrte der letzte planmäßige Personenzug zwischen Neumarkt und Beilngries.


Letztes funktionstüchtiges „Relikt“ dieser eindrucksvollen Episode lokaler Industriegeschichte ist heute die 5,5 Kilometer lange Trasse vom Neumarkter Bahnhof zum Bögl-Werk bei Sengenthal.
Auf diesem Anschlussgleis, das das Bauunternehmen 2005 von der Bahn übernommen hatte, wird am kommenden Sonntag der Museumszug
der Fränkischen Museums-Eisenbahn e. V. mit Personenwaggons aus den 30er- und 50er-Jahren pendeln.
Die Dampflokomotive 52 8195 fährt zwischen 9 und 15 Uhr zu jeder vollen Stunde am Tor 3 von Max Bögl ab. Jeweils eine halbe Stunde macht sie sich vom Neumarkter Bahnhof auf den Rückweg. Die letzte Fahrt des Tages ist eine Sonderfahrt; diese startet um 16.05 Uhr an der „Haltestelle Sengenthal“ und dauert eine Dreiviertelstunde. Auf dem Gelände des früheren Bahnhofs Greißelbach, dem heutigen Innovationszentrum von Max Bögl, wird am Sonntag ein Bahnhofsfest veranstaltet. Um 9.30 Uhr werden Hüpfburg, Ausstellung zum Jubiläum und Modellbahnanlage geöffnet. Zu kaufen gibt es hier unter anderem eine Sondermedaille des Münzvereins Neumarkt zum Streckenjubiläum.
Und natürlich auch Christoph Meiers Buch über die Geschichte der Sulztalbahn und ihrer Bahnhöfe. Zwei Jahre hat er daran gearbeitet. Meier ist Mitorganisator des Jubiläumsfestes, als Bögl-Mitarbeiter und Mitglied der Eisenbahnfreunde das „Schaltwerk“ bei den Bögl’schen Schmankerl zur lokalen Bahngeschichte. Rund 15 „Eisenbahnfreunde Sulztalbahn“ gebe es, erzählt er. „Darunter sind auch solche, die früher noch als Bahnpersonal mit dem Bockel gefahren sind.“
Dritter Schauplatz der Feierlichkeiten ist der „Bahnhof Schlierferheide“ am Tor 3, am Nordeingang des Bögl-Werks. Hier starten nicht nur die Dampfzugfahrten, auf dem Nebengleis können auch historische und moderne Schienenfahrzeuge und Wagons besichtigt werden. Eines dieserer Ausstellungsstücke ist die frisch restaurierte ehemalige Wasag-Lok

Vorverkaufsstellen für die Dampflok—Pendelfahrten in Neumarkt: Motorgeräte Bader, Regensburger Straße 113 (hier keine Karten für Sonderfahrt); Verwaltungsgemeinschaft Neumarkt, Bahnhofstraße 12 (hier auch Sonderfahrt). 
 

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