Der Bauer geht mit dem Strick in den Stall

25.6.2012, 18:45 Uhr
Der Bauer geht mit dem Strick in den Stall

© Fellner

Die Idylle im Schatten mächtiger Bäume trügt. Die Milchbauern waren gekommen, um ihren Bundesvorsitzenden zu hören. Im Zelt neben der König Otto-Tropfsteinhöhle war die Lesung, direkt neben dem nagelneuen Hochseilgarten, der Aufschwung bringen soll im Höhlentourismus.

An Aufschwung können die Milchbauern derzeit nicht denken. Denn es passiert derzeit genau das, was sie vor drei, vier Jahren bei ihren großen Protesten hinausgeschrien haben ins Land, nach Berlin und Brüssel. Nach einer kurzen Phase der Konsolidierung, als der Milchpreis auf jene magischen 40 Cent pro Liter stieg, kam der Rückschlag, erhöhte die EU allen Protesten zum Trotz die Kontingente, schwappte noch mehr Milch über den Markt. Und der Preis in den Keller.

Zinslast läuft weiter

Wenn der Bauer aber eine Million Euro in neue Ställe, neue Tiere, neue Maschinen investiert hat, der Milchpreis aber um 20 Prozent sinkt, dann, so Schaber, „sagen alle, das tut uns leid, aber deinen Zins musst du zahlen“. Der Bauer aber geht mit dem Strick in den Stall. Ein Thema, das nicht offen angesprochen wird, sagt Schaber, das aber europaweit viele Leben gekostet hat und kostet.

Das Buch mit dem martialischen Titel hat Schaber mit einem Autor geschrieben, um eine breitere Öffentlichkeit für die Anliegen der Bauern zu gewinnen. In dem Werk findet sich die Geschichte der Proteste vor vier Jahren, die Lage der Milchbauern

ist das zentrale Thema. Eingängig geschrieben, wohl formuliert, manchmal aber mit etwas Pathos und Revolutionsrhetorik angereichert, ermöglicht es dem unbedarften Leser einen Blick in Welten, von denen dieser beim Gang zum Kühlregal im Supermarkt nichts ahnt, wenn er dort einen Liter Milch zapft.

Wobei Revolutionsrhetorik nötig ist, so Schaber: Es sei schwer gewesen, die Bauern mitzureißen, auf die Straße zu bekommen. Da muss der richtige Ton getroffen werden, denn eigentlich sehen sie sich als Wertkonservative, die Natur und Land schützen und pflegen. Doch Sätze wie „der Bauer ist abhängig vom Wetter, vom Regen, vom Landwirtschaftsministerium und der EU-Bürokratie. Selbstständig ist er nur, wenn er arbeiten soll“, die treffen ins Mark. Schaber: „Wenn es ins Heu regnet, ist es nass. Aber jetzt geht es um die Existenz.“

Auch der Bauernverband kommt nicht gut weg. Der sei, wie viele fälschlicherweise meinten, eben keine Interessenvertretung der Bauern, sondern auch der Milchhöfe, der Agrarindustrie. Zweimal sei er dem Bauernverband beigetreten, weil er gedacht habe, so etwas für die Milchbauern tun zu können. Zweimal sei er aber wieder ausgetreten. Der Bauernverband, sagt Schaber, tue, was er kann, aber nicht das, was es braucht. Kein Wunder, dass es später noch viel Applaus für einen Gstanzlsänger gibt, der sich des Bauernverbandes annimmt. Dass sich Bauernverband und Schand' so gut reimen, ist im Refrain oft zu hören.

Bauer oder Agrarindustrie: Auf diesen Nenner bringt es Schaber in seinem Buch „Blutmilch“. Die Probleme der Landwirte seien nicht von Gott gegeben, beschwört er seine Zuhörer, „die sind gemacht“. Wenn die von der EU verfochtene Liberalisierung zum Tod der Landwirte führe, müsse man handeln. Der Bauernaufstand der heutigen Tage werde nicht mit Mistgabeln geführt, es gehe nicht gegen Feudalherren, sondern „gegen die Staatsmonopolmachtwirtschaft, die sich Liberalismus nennt“, sagt Schaber.

Offene Türen

Mit seiner Systemkritik rennt Schaber bei Landrat Albert Löhner offene Türen ein. Er habe die Entwicklung des Verbandes verfolgt. Das Land brauche eine Agrarrevolution; alles, was an Zentralismus versucht worden sei, sei gescheitert, die Entwicklung hin zu einer Industriegesellschaft bedeute einen enormen Werteverlust für das Land. Bäuerlichkeit müsse eine höhere Wertschätzung erfahren, als es derzeit der Fall sei, denn: „Die Bauern sind es, die die Lebensgrundlagen für unser Leben schaffen.“

Die Milchbauern müssten zugleich helfen, die Systeme zu ändern und die Landwirtschaft zukunftsfähig zu machen. Löhner: „Wir brauchen eine Aufbruchstimmung und einen Aufschwung, auch wenn manchmal das Gefühl der Lethargie und Depression lähmt. Wir brauchen mehr und schnellere Veränderungen, nur defensives Abwarten ist Rückschritt.“

Die Milchbauern werden ihn nicht enttäuschen. Die Milch kocht schon hoch, am Mittwoch, 27. Juni, steigt am Münchener Odeonsplatz um 19.30 Uhr eine Kundgebung. „Wachsen oder Weichen – wir haben es satt“, heißt es auf dem Handzettel. Die Milchbauern werden das Sterben der bayerischen Bauernhöfe thematisieren, 104000 seien es in den vergangenen 20 Jahren gewesen.

Ort und Zeit sind nicht ohne Hintersinn gewählt, denn zur gleichen Zeit gibt Ministerpräsident Horst Seehofer beim Deutschen Bauerntag im Kaisersaal der Münchener Residenz einen Empfang. Im Fokus der Milchbauern: Der nach 20 Jahren im Amt scheidende Bauernpräsident Gerd Sonnleitner, dem sie das Sterben der Höfe anlasten. 104 Grablichter wollen die Milchbauern aufstellen. Es wird nicht die letzte Aktion der weißen Rebellen gewesen sein im Kampf um ihre Zukunft, verspricht Schaber.

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