Deutschunterricht für Flüchtlinge stemmen fast nur Ehrenamtliche

20.11.2014, 11:35 Uhr
Deutschunterricht für Flüchtlinge stemmen fast nur Ehrenamtliche

© Archivfoto: Nahr

Überregionale Defizite hat auch das bayerische Sozialministerium erkannt und Ende Oktober alle Bezirksregierungen angeschrieben: Diese möchten doch bitte Koordinatoren für den Deutschunterricht nach München melden. Für die Regierung der Oberpfalz hat nun in Regensburg Peter Rauh die Rolle übernommen.

Und so hat der Sozialreferent des Landkreises Neumarkt, Dr. Gerhard Pfohl, einen Adressaten: „Ich werde massiv Bedarf anmelden. Deutschkurse für Asylbewerber sind ein absolutes Muss. Es kann nicht sein, dass diese beim Arzt ihre Beschwerden nicht mitteilen können. Das ist eine Frage der Menschenwürde.“

„Ein Kurs pro Landkreis“

Die Devise der Regierungsbehörden laut Pfohl: „Ein Kurs pro Landkreis.“ Gegenwärtig bezahlen der Freistaat und das Bundesamt für Migration einen Sprachkurs in Parsberg, an dem 20 Personen teilnehmen. Außerdem veranstaltet das kommunale Bürgerhaus Neumarkt fünf Kurse für Anfänger und Fortgeschrittene mit jeweils zehn bis 15 Teilnehmern. Das ist dann aber das Kursangebot, das im Landkreis Neumarkt von der öffentlichen Hand angeboten wird.

Etwa die Hälfte der dezentralen Flüchtlingsunterkünfte im Kreis ist derzeit mit ehrenamtlichen Deutschlehrern abgedeckt. Das schätzt Magdalena Scholz, Asylsozialarbeiterin der Diakonie. Sie sieht eher die Gefahr, dass ein „Überangebot“ an solchen Sprachkursen geschaffen wird. Schnell könnten potenzielle Ehrenamts-Deutschlehrer frustriert werden.

Tatsächlich stützt sich die integrative Sprachschulung der Migranten im Landkreis hauptsächlich auf private Initiativen. Wolfgang Minet von der Flüchtlingshilfe Neumarkt unterrichtet selbst einmal pro Woche zwei Stunden lang fünf bis zehn Flüchtlinge in Parsberg. Die Kommune hat ihm dafür im Bahnhofsgebäude sogar einen Raum zur Verfügung gestellt.

In die Muster-Unterkunft in Neuhaus bei Berching kommt immer samstags Hanna Sommerer, um die Ausländer zu unterrichten — und das schon seit drei Jahren. Eine Studentin aus Eichstätt nimmt regelmäßig die Fahrt nach Pollanten auf sich, um in der „Alten Wegscheid“ Migranten in Deutsch zu unterrichten. Auch in Dietfurt und im Neumarkter Kulturzentrum G 6 gibt es einschlägige private Kursangebote.

„Es gibt genug Leute, die Deutschunterricht machen würden“, berichtet Wolfgang Minet von der Flüchtlingshilfe und kritisiert die mangelnde Koordination der Angebote und zu wenig Informationen für mögliche Sprachschüler in den zahlreichen Flüchtlingsunterkünften. Minet: „Da bleibt vieles dem Zufall überlassen.“

Landesweite Ausschreibung

Während die Zahl der Flüchtlinge weiter zunimmt, droht ein anderes Projekt in die Mühlen der Bürokratie zu geraten. Der Frühjahrs-Deutschkurs der Volkshochschule Neumarkt ist bisher vom Bundesamt für Migration und vom Europäischen Sozialfonds bezahlt worden.

An deren Stelle hat nun ein „Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds“ die deutschlandweite Ausschreibung auch des Neumarkter Deutschkurses für Flüchtlinge übernommen. Claudia Zeller von der Neumarkter VHS rechnet damit, dass sich bis 25. November viele Träger bewerben — und am Ende hoffentlich die örtliche Volkshochschule den Zuschlag bekommt.

Deutschunterricht für Flüchtlinge stemmen fast nur Ehrenamtliche

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„Wir haben die Erfahrung“, sagt Claudia Zeller. Doch vor Januar 2015 wird dieser Kurs nicht starten. Derweil nimmt der Druck auf die Wirtschaft wegen fehlender Arbeitskräfte immer mehr zu. Deshalb hat das Berufliche Fortbildungszentrum der bayerischen Wirtschaft in Neumarkt die Initiative ergriffen, um mit berufsbezogenen Deutschkursen für Ausländer neue Mitarbeiter für die Firmen zu gewinnen.

Nach Angaben von Joachim Simbeck soll im Februar oder März ein Lehrgang für zwölf bis 16 Migranten starten, die schon einen Integrationskurs hinter sich haben. Bereits kurz nach dem Jahreswechsel will das Fortbildungszentrum mit einem „Erstorientierungskurs für Asylsuchende“ beginnen, an dem auch bis zu 16 Menschen teilnehmen können. Das Projekt sei gezielt darauf ausgerichtet, Asylbewerber für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Die Unternehmen suchen laut Simbeck „händeringend Fach- und Hilfskräfte“.

Der Leiter des Neumarkter Wirtschafts-Fortbildungszentrums hat unter anderem Flüchtlinge aus Afrika im Auge: „Das Spektrum reicht vom Hochschulprofessor bis zum Hirsebauern, jeder wird in der Gesellschaft gebraucht.“

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