Ein Fall für den „fliegenden Autohändler“?

18.9.2010, 13:54 Uhr
Ein Fall für den „fliegenden Autohändler“?

© Fritz Etzold

Nach Feierabend nur mal kurz in den Supermarkt, eine fehlende Zutat fürs Abendessen kaufen – und schon hängt das Kärtlein am Scheibenwischer. Und kein Mensch weit und breit. Es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass ein Autoexporteur auf diese Weise sein Interesse an dem inzwischen neun Jahre alten Opel Corsa bekundet. Früher waren das noch am PC ausgedruckte, per Hand ausgeschnittene Zettelchen. Diesmal wartet eine Hochglanz-Version (hier im Bild ein selbst entworfenes „Musterexemplar“) auf den Autobesitzer.

Ein Fall für den „fliegenden Autohändler“?

„Mit freundlicher Empfehlung ...“ beginnt die textlastige Vorderseite. Zusammengefasst versichert der Verfasser, er kaufe so ungefähr alles auf, was vier Räder hat. Drunter groß die Handynummer.

Ein Fall für den „fliegenden Autohändler“?

Das Anbringen solcher Visitenkarten zu Werbezwecken ist nach jüngster Rechtssprechung verboten. Auf öffentlichen Parkplätzen stelle dies eine „genehmigungspflichtige Sondernutzung“ dar, hat das Oberlandesgericht Düsseldorf eben erst entschieden.

In 99 von 100 Fällen wandert der Zettel in den Papierkorb, wenn er nicht gleich hart auf dem Parkplatz-Asphalt landet (was einige Städte mit einem Verwarngeld ahnden). Diesmal siegt die Neugier. Aus dem ersten vereinbarten Treffen wird allerdings nichts: Der Autobesitzer wird glatt versetzt, ein neuer Termin zwei Tage später ausgehandelt. Wobei schon am Handy deutlich wird, dass der Händler den Kaufpreis drücken will – unter die anfangs in den Ring geworfenen 1800 Euro. In der Zwischenzeit zieht der Autobesitzer einen Fachmann zu Rate. Der Leiter des Tüv in Neumarkt,Stefan Adelfinger, hat sich dankenswerterweise bereit erklärt, den ungefähren Wert des Corsa für die NN zu ermitteln.

Der Wagen ist technisch gut in Schuss, einige marode Teile wurden jüngst ausgetauscht, er hat neue Reifen, neue Batterie, neuen Tüv. „Rost oder die Kratzer im Lack interessieren die fliegenden Händler weniger“, sagt Adelfinger. Dort, wo die Autos hingingen, meist Afrika oder der Nahe Osten, sei das Äußere nicht so wichtig. Was dem Kleinwagen freilich abgeht, ist eine Klimaanlage. „Die sind inzwischen auch in Deutschland sehr gefragt.“ Auch unser Händler hatte schon am Telefon danach gefragt. Kfz-Experte Adelfinger warnt: „Mancher Verkäufer jubelt, wenn ihm der Exporteur einen überraschend guten Preis macht, einen besseren, als ein Autohändler beim Kauf eines neuen Wagens dafür drangeben will.“ Doch da sollte man etwaige Neuwagen- Rabatte oder andere Vergünstigungen beim Neukauf mit einrechnen. Übrigens: „Drangegebene“ Altfahrzeuge landen häufig auch beim fliegenden Händler, halt nur über den Umweg Autohaus.

Kurz vor dem Treffen mit dem Interessenten gibt Stefan Adelfinger die Fixwerte durch: „Beim Verkauf an privat wären 2000 bis 2200 Euro realistisch. Der fliegende Händler wird allerdings versuchen, den Preis unter 2000 zu drücken.“

Stellt sich nur die Frage, wie weit unter 2000. Auf dem neuen Parkplatz an der Mühlstraße wird sie beantwortet. Ein Mercedes mit zwei jungen Männern um die 30, nach eigenen Angaben aus dem Raum Regensburg, rollt neben den Corsa. Nach kurzem Händedruck umkreisen die beiden nachdenklich den Opel, schauen unter die Motorhaube. Sogar das Serviceheft wollen sie einsehen.

Nach einer kleinen Rundfahrt um den Block wird es dann ernst. 1800 Euro? Kopfschütteln. Nicht mal 1500 seien drin. Nur ein 1.0-er, keine Klima, keine Schlüssel-Fernbedienung. „An dem ist ja nix dran“, mosert der eine. Maximal 1200 Euro würden sie für den grundsoliden Kleinwagen zahlen. Kein Feilschen, Ende der Verhandlung. Der angebotene Preis „untertrifft“ alle Erwartungen. Denn: „Alles unter 1500 Euro ist definitiv zu wenig“, meint Stefan Adelfinger vom Tüv-Center Neumarkt. Für einen besseren Preis führt er vor allem den guten Zustand von Motor und Getriebe und die Metallic-Lackierung an. Und den fast noch zwei Jahre währenden Tüv: „Da gibt es eine Art Faustformel: Pro Monat Tüv 100 Euro.“

Fazit: Die Frage, ob ein fliegender Autohändler einen über den Tisch ziehen will, stellt sich im Grunde nicht – ist eben alles Verhandlungssache. Ein bisschen Auto-Fachwissen und Verhandlungsgeschick können nicht schaden. Oder man bringt einen Bekannten oder Verwandten mit, der sich etwas besser auskennt. Interessant sind solche Kaufangebote eher für den, der eine (vielleicht sogar schon abgemeldete) Rostlaube schnell und unbürokratisch los werden will. Und wenn dann noch ein paar Hunderter dabei rausspringen ...