Eva Borke-Thoma: "Der Klimawandel wird nicht auf Corona warten"

18.3.2021, 20:47 Uhr

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, werte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren,

nach einem Jahr Pandemie mit wiederkehrenden Einschränkungen sind wir alle müde, mürbe und wünschen uns zurecht ein normales Leben zurück. Auch die Kommunen hat die Corona-Krise besonders getroffen. Von gravierenden Einnahmeausfällen im Bereich der Gewerbesteuereinnahmen & Co., wird wohl auch Neumarkt nicht verschont bleiben. Mit geplanten 65,2 Mio. Euro an Aufkommen von Steuern und Zuweisungen in 2020, müsste die Stadt somit knapp 7,4 Millionen Euro der prognostizierten Einnahmen einbüßen. Auf die finanzielle Entlastung der Kommunen durch den Bund können wir in 2021 nur hoffen, aber nicht damit kalkulieren. Daher begrüßen wir es, dass die Verwaltung den Blick in die Zukunft mit Bedacht und Vorsicht vornimmt und stimmen als Fraktion Bündnis `90/ Die Grünen daher dem Haushalt zu.

Und dennoch leben wir in einer Zeit fundamentaler Veränderungen. Die Klimakrise und der digitale Wandel liegen als große Zukunftsaufgaben vor uns. Es wäre eine Lüge gegenüber der nächsten Generation, wenn wir Infrastrukturinvestitionen aufschieben. Dies erhöht die Verschuldung und macht die Maßnahmen teurer für unsere Kinder und Kindeskinder. Vor uns liegt eine Mammutaufgabe: Wir müssen unsere Energieversorgung und unsere Mobilität, unsere Häuser, sowie unsere Stadt grundlegend neu organisieren. Ein umfassender Transformationsprozess, bei dem wir den sozialen Zusammenhalt nicht aus dem Blick verlieren dürfen. Denn ökologischer Umbau und soziale Gerechtigkeit gehören für uns Grüne untrennbar zusammen.

Auch die Digitalisierung wird alle Lebensbereiche verändern – ob Arbeit, Wirtschaft oder Bildung. Wir müssen diesen digitalen Wandel aktiv mitgestalten und leben wollen, um die Fäden in der Hand zu halten und selbstbestimmt zu bleiben.

Doch gute Zukunft gibt es nicht zum Nulltarif. Wir müssen heute handeln, um das Morgen zu gestalten. Die Haushaltspolitik spielt dabei eine zentrale Rolle. Unsere gewaltigen Herausforderungen, die den meisten von uns schon vorher klar waren, sind auch für 2021 geblieben: der Klimawandel wird nicht auf Corona warten!

Mit der Verabschiedung der Nachhaltigkeitsstrategie haben wir die nötigen Weichen bereits gestellt, um Neumarkt fit für den Klimawandel zu machen. Nun darf es allerdings nicht nur bei Lippenbekenntnissen bleiben. Wir müssen den nächsten Schritt gehen und die Maßnahmen umsetzen. Vor allem im Bereich der baulichen Maßnahmen, wünschen wir Grüne uns mehr Mut neue Wege zu gehen. Die aktuellen Pläne der neuen Feuerwehrwache zeigen, welches Potential wir haben und vor allem was alles möglich ist. Planungen genau nach unserem Geschmack. Solche Projekte sind unglaublich wichtig für unsere Stadt. Preise sind zwar schön und gut, aber die Bürgerinnen und Bürger sehen die Preise nicht. Eine begrünte Feuerwehrwache an der „Haustür zu Neumarkt“ allerdings schon. Die Feuerwehrwache kann ein Aushängeschild für die gelebte Nachhaltigkeit in der Stadt sein. Und dabei soll es nicht bleiben, dieser Spirit muss stetig weiter verfolgt und umgesetzt werden. Als Stadt gehen wir als gutes Vorbild voran, d.h. wir müssen bei zukünftigen Bauvorhaben den Aspekt der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes gleichwertig berücksichtigen. Das bedeutet mehr Photovoltaik, mehr Begrünung, mehr Holzbauweise, kurz eine rundum nachhaltige Bauweise.

Wir geben Millionen für Bauvorhaben aus, insbesondere Straßenbaumaßnahmen. Aber was ist mit der Förderung und Weiterentwicklung von kulturellen Angeboten in Neumarkt? Wie familienfreundlich wollen wir in Neumarkt sein? Familienfreundlichkeit ist für uns nicht nur die Schaffung von Kindergarten- und Spielplätzen. Eine moderne kommunale Familienpolitik muss Angebote für verschiedene Lebensentwürfe und – situationen bereithalten, gerecht sein und Teilhabe für alle Generationen ermöglichen. Wir müssen aus der Perspektive der Familien denken. Warum gehen wir davon aus, dass jede/r seine Kinder mit dem Auto zum Kindergarten oder zur Schule bringt? Was ist, wenn sich eine Familie kein Auto leisten kann und auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen ist? Können sie auf den Stadtbus hoffen? Was ist mit Familien, die Wert auf eine gesunde und nachhaltige Verpflegung ihrer Kinder legen? Können sie auf Bio- Verpflegung hoffen? Wir denken hier ist noch Luft nach oben und plädieren dafür diese Faktoren in Zukunft bei Investitionen stärker zu berücksichtigen.

Wir sprechen immer von Neumarkt als „starke Stadt“, was sie definitiv ist. Aber was macht eine starke Stadt aus? Wer macht sie aus? Aus meiner Sicht sind das ganz klar die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt. Daher müssen wir uns vor Augen führen, warum die Menschen hier leben wollen. Da ist zunächst sicherlich der wirtschaftliche Aspekt, den man nicht unterschätzen darf und sollte. Allerdings um die Menschen hier halten zu können, müssen wir mehr in die Attraktivität von Neumarkt investieren, das bedeutet mehr Orte zur Erholung und zum Verweilen. Gerade Corona hat uns gezeigt, wie wichtig Naherholung für uns alle ist. Wir dürfen nicht unterschätzen, welchen Stellenwert dies für die Menschen hat. Damit Neumarkt weiter ein Lieblingsort bleibt, müssen wir im Bereich der Naherholung zukunftsorientiert planen. Der Stadtpark, auch wenn der Weg lang war, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber das reicht nicht aus, wir brauchen mehr Plätze zur Erholung, mehr Plätze für die Natur, mehr Plätze für die Menschen. Jeder Flecken Erde sollte für uns ein kostbares Gut sein, bei dem wir uns dreimal überlegen, ob wir ihn überbauen wollen.

Wie wir alle wissen ist in Neumarkt sowohl Wohnraum, als auch das Angebot an verfügbaren Grundstücken mehr als knapp. Die Nachfrage an Bauplätzen ist nach wie vor enorm. Die Stadt versucht dieser Nachfrage gerecht zu werden. Dennoch ist verfügbare Fläche an Baugrundstücken endlich und nicht jede oder jeder kann sich ein Einfamilienhaus leisten. Daher müssen wir auch die den entsprechenden Bedarf an bezahlbaren Wohnraum decken. Im Hinblick auf den sozialen Wohnungsbau, sowie der Schaffung von bezahlbaren Wohnraum, ist Neumarkt somit gut beraten dort ihre Anstrengungen zu erhöhen. Den Bürgerinnen und Bürger bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen, ist auch eine Form von Nachhaltigkeit. Wir Grüne wünschen uns daher, dass diese Aspekte in zukünftige mehrgeschossige Bauten mit einfließen.

Wenn wir in Deutschland unsere CO2-Einsparungen einhalten wollen, muss vor allem der Verkehrssektor massiv umgebaut werden. Und zwar nicht erst in 10 Jahren, sondern jetzt. Und das wird auch Neumarkt treffen. Wir Grüne sind daher davon überzeugt, dass Investitionen in überdimensionierte Straßenbaumaßnahmen, wie sie zum Beispiel an der B299 stattfinden sollen, weder zukunftsorientiert noch nachhaltig sind. Im Gegenteil, mehr Straßen bedeutet auch immer mehr Verkehr und den wollen wir ja alle gerade vermeiden. Die Bevölkerung steht dafür in den Startlöchern. Wir müssen nun mit ganzer Kraft die Rahmenbedingungen für die Umsetzung eines klugen Mobilitätskonzepts schaffen, dass nicht nur für die nächsten 10 Jahre funktioniert. Warum nicht mal in die Errichtung eines Fahrradparkhauses investieren, anstatt in eine weitere Tiefgarage? Oder wie sieht es mit der Installation von Mobilitätsstationen aus?

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, werte Kolleginnen und Kollegen,

Wir halten die Zukunft der Stadt Neumarkt in den Händen. Wir mögen das ein oder das andere Mal geteilter Meinung sein, dennoch möchte ich für eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten plädieren. Nur wenn wir miteinander ins Gespräch kommen und an einem Strang ziehen, auch wenn das unter Corona etwas schwieriger ist, können wir Neumarkt voranbringen. Damit Neumarkt Lieblingsort bleibt!

Zum Schluss möchte ich mich ganz herzlich bei Herrn Graf und Herrn Tischner für die Ausarbeitung des Haushaltes bedanken. Auch möchte ich es an dieser Stelle nicht versäumen im speziellen Herrn Graf für die konstruktive und wohlwollende Zusammenarbeit zu danken. Ich bedauere es sehr, dass wir nur kurz das Vergnügen einer Zusammenarbeit haben werden, ich habe diese in der Kürze der Zeit sehr zu schätzen gelernt. Auch wenn es noch ein paar Monate hin sind, möchte ich Ihnen sowohl im Namen der Fraktion Bündnis `90/ Die Grünen, aber auch ganz persönlich alles erdenklich Gute für die Zukunft wünschen. Genießen Sie Ihren Ruhestand!

Eva Borke-Thoma (Stellv. Fraktionsvorsitzende Bündnis `90/ Die Grünen – Stadtrat Neumarkt i.d.OPf.)