Gesungene Grüße ans Kollegium

17.6.2020, 06:00 Uhr
Gesungene Grüße ans Kollegium

© Magdalena Kayser

 

Cliff Rüdinger-Härlin hat schon viele Songs geschrieben - lustige, traurige, gefühlvolle, ironische. In den letzten corona-beschatteten Wochen hat er sich den Auswirkungen des Virus gewidmet.

Er hat Texte gemacht und komponiert, dann gespielt, gesungen und aufgenommen. Die Werke schickte er als Audio-Files seinem Lehrerkollegium als akustischen Gruß, weil anderer Kontakt nicht oder nur ganz anders als gewohnt möglich ist.

Denn eigentlich ist Rüdinger-Härlin es gewöhnt, jeden Schultag morgens eine Runde durchs Haus zu drehen. Um zu reden, zu hören, was anliegt, wie es geht und was geplant ist. Als er dann nach der Schulschließung morgens allein im Büro saß, schickte er statt dessen Mails an die Kollegen.

Eine beschwerte sich scherzhaft, es sei arg, wenn morgens um 8 Uhr schon vier Mails von ihm im Postfach warten. "Geh doch in die Klassenzimmer, schau dir die Bilder an und sprich mit den Topfpflanzen", so der pädagogisch wertvolle Rat der Kollegin.

Daraus entwickelte sich ein running gag in den Rundmails: "Dein Ficus trinkt und spricht zu viel, wenn er betrunken ist", mailte Rüdinger-Härlin einer Klassleiterin mit, der Farn einer anderen sei depressiv. Die Orchideen immerhin hätten eine Selbsthilfegruppe gegen Burnout gegründet, denn bei ihnen ginge es immer nur ums gute Aussehen.

Scherzabtausch in Noten

Dieser Scherzabtausch hat Cliff Rüdinger-Härlin dann zu seinem ersten Lied inspiriert. Vorher hatte er schon mal kurze Audio-Grüße an die Mails angehängt - weil er ein Software-Programm testen wollte, schickte er zwei umgedichtete Zeilen: Aus "Einfach spitze, dass du da bist" machte er "einfach spitze, was ihr leistet". Das kam gut an.

Dann ging Rüdinger-Härlin in die vollen, spielte Gitarre, Mundharmonika, sang und mischte daraus den Topfpflanzen-Blues: Weil er nicht mehr raus darf, redet er eben mit den Zimmerpflanzen. "Ich hab ’nen Gummibaum, ’nen Ficus, ’nen Farn und drei Kakteen, irgendeiner wird mich sicherlich verstehn", dichtete er. Wird leider nichts, denn dem Ficus sind die Sorgen anderer wurst, er hat nämlich großen Durst und wünscht sich vor allem ein Bier.

Es folgte "Liebling, lass uns Hamster kaufen": mit Mandolinensound unterlegt ein Lied über leere Klopapierregale - anscheinend müsse man diese Tiere auch abwischen, wundert sich der Sänger. Danach heißt es dann natürlich Hände säubern, aber "bald war auch kein Desinfektionsmittel mehr da, auch die ganz normale Seife wurde rar". Und aus großen Raviolikonserven kann man offensichtlich gute Hamsterkäfige entwerfen.

Mit Feriengefühl setzt sich Rüdinger-Härlin dann an die seine Steel Guitar für den Hawaii-Sound und besingt die Freuden des "Urlaubs daheim": "die große weite Welt kann warten, ich gehe lieber in den Garten, weil es mir hier so gut gefällt" , singt er über "den schönsten Platz auf der Welt". Zur Entspannung in der Hängematte kommt allerdings das Mähgeräusch aus dem Nachbargrundstück und das Gefühl, dass Unkraut, Telefon und Hausputz ihren Tribut fordern.

 

Sein eigener Ein-Mann-Chor

 

Meist ist Cliff Rüdinger-Härlin sein eigener Background-Chor, beim Urlaubs-Lied singen auch Ehefrau Sabine und Tochter Dana mit.

In "Homeschooling" kommt der tiefe Seufzer "Ich will meine Schule wieder old school haben" - Pasta ohne Soße, Anzug ohne Hose, viele Vergleiche rappt Rüdinger-Härlin, leidgeprüft nach Wochen mit abstürzenden Lernplattformen, streikenden Druckern und erzwungener Pause vom Präsenzunterricht. Die sei richtig, schon klar, aber "viel wichtiger als Schule ist der menschliche Kontakt", das ist eine der Lehren aus dem Covid-Shutdown.

Für die Lieder hat er zuhause in Kastl an Sonntagen gesungen und gespielt, Gitarre, Ukulele, Mandoline, Keyboard und Steel Guitar, Kazoo und Mundharmonika. Komponiert un getextet hat er schon als Jugendlicher, das erste Lied schrieb er mit 15 Jahren, "klassisch für einen Rock’n’Roller: über Liebeskummer", erzählt er.

Seit Ende der 90er Jahre spielt der heute 52-Jährige Gitarre und schreibt Songs für die Band "Silly Strings". "Wenn ich ein Lied schreibe über ein Thema, das mich bewegt, dann singe ich es so lange, bis es besser ist", beschreibt Cliff Rüdinger-Härlin, wie das Komponieren und Musizieren manchen Stress, manchen Druck, manchen Kummer abbauen hilft.

Was die Pandemie mit der Kommunikation der Menschen macht, auch darüber macht sich Rüdinger-Härlin Gedanken: Hinter der Maske sieht man nur einen Teil der Mimik, bei Youtube-Konferenzen gehen viele Zwischentöne unter. Er hat jetzt mit seinen Liedern eine neue Form der Kommunikation ausprobiert. Und will damit weitermachen, "ich hab ein paar Ideen", sagt er.

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