Kienzle und der Nahe Osten

25.3.2013, 10:55 Uhr
Kienzle und der Nahe Osten

© fxm

Ulrich Kienzle gehört zu den prägenden Personen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Der Nahe Osten entwickelte sich zu seinem Spezialgebiet. Dort war er auch Korrespondent, zuerst in Beirut und dann in Kairo. Später machte er im ZDF-Magazin „Frontal“ mit seinem Gegenüber Bodo H. Hauser in bissigen Dialogen auf sich aufmerksam. Bei seiner Lesereise durch Ostbayern machte die Journalistenlegende auch in der Buchhandlung Rupprecht in Neumarkt Station.

Der 76-Jährige las vor großem Auditorium aus seinem autobiographischen Buch „Abschied von 1001 Nacht“ und berichtete im Gespräch mit Lena Stadelmann vom stagas -

Verlag, in dem das Buch erscheint, von seinen Erlebnissen. Dabei kamen humorvolle Anekdoten und Seitenhiebe nicht zu kurz.

„Der Nahe Osten erhält in unserer Betrachtung nicht mehr die Bedeutung, die ihm eigentlich zukommen müsste. Dort liegt nämlich 60 Prozent des Erdöls der ganzen Welt“, ordnete Kienzle die Berichterstattung ein. Der Journalist versuchte einige Schneisen in das schier undurchdringbare Dickicht Arabiens zu schlagen. Die Politik der USA beim Irak-Krieg verurteilte er aufs Schärfste. „Das war der dümmste Krieg auch in den Augen vieler Amerikaner“, meinte der Journalist. Die USA seien heute durch ihre Kriege überschuldet, ihr größter Kreditgeber sei China.

Im Bürgerkrieg in Syrien gebe es drei oppositionelle Richtungen bei einer Fülle von Religionen. „Der Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten prallt hier aufeinander“, skizzierte Kienzle.

Ausführlich erinnerte er sich bei der Lesung an die Situation, als er als einer der wenigen westlichen Journalisten im Jahr 1990 den irakischen Diktator Saddam Hussein interviewen durfte. Gespenstisch die Situation im Palast, wo Saddam Hussein von Dutzenden willfähriger Paladine umgeben war. Kienzle erhielt ein „Nein“ auf seine Frage, ob sich die irakischen Soldaten aus Kuwait zurückziehen.

„Wir waren die ersten Grünen“

Kienzle machte einen Sprung in den Anfang seines Journalistenlebens, das beinahe in die Hose gegangen wäre. Dem Sprecher seines ersten Filmbeitrages versagte nämlich die Stimme, Kienzle wurde ausfällig. Die nicht stubenreinen Sätze gingen über den Sender. Der Sprecher wurde entlassen, Kienzle blieb. Er avancierte zum Leiter der Abendschau des damaligen Süddeutschen Rundfunks in Stuttgart. „Die Umweltthemen lagen auf der Straße. Wir gehörten sozusagen zu den ersten Grünen“, blickte Kienzle zurück.

Als Korrespondent in Beirut ab 1974 lernte er mit seinen holprigen Arabisch-Kenntnissen die orientalische Welt näher kennen, in denen ohne Bestechung nichts ging. „Meine Filmrollen kamen in Frankfurt nicht an. Erst als ich dem Kurierfahrer 500 Mark gab, klappte es“, berichtete Kienzle schmunzelnd. Als Kriegsreporter hat Kienzle Schlimmstes miterlebt. „Wir mussten nach einem Massaker unter Androhung über Leichenberge fahren. Die Bilder sehe ich noch heute“, schilderte Kienzle die schreckliche Szene. Traumatherapeuten für Journalisten hat es nicht gegeben. „Da wurde gesoffen. Eine Flasche Rotwein“, sagte Kienzle im Gespräch mit Lena Stadelmann.

Frauen sind die Verlierer

Die Gewinner des Arabischen Frühlings heute seien die Türkei und vielleicht die Kurden, die auf einen eigenen Staat hoffen, die Verlierer Israel und die Frauen in den arabischen Ländern sowie die arabischen Christen, analysierte Kienzle die jetzige Situation. „Am Schluss könnte in Ägypten die Armee wieder zuschlagen“, prophezeite Kienzle.

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