Lagerist klaut angeblich kilometerweise Kabel

16.4.2019, 09:55 Uhr
Ein Lagerist hat angeblich aus Kabeln viel Geld gemacht.

© dpa Ein Lagerist hat angeblich aus Kabeln viel Geld gemacht.

Wenn dem Angeklagten sämtliche 2803 Taten der Untreue, die ihm vorgeworfen wurden, nachgewiesen hätten werden müssen, wäre das nicht nur schwierig geworden, es hätte auch Monate gedauert. So sorgte ein umfängliches Geständnis mit marginalen Einschränkungen für eine deutliche Beschleunigung des Verfahrens. Es dauerte etwas mehr als eine Stunde. Das Gericht honorierte das.

Diese angeblich 2803 Fälle hatten sich in den Jahren 2013 bis 2016 angesammelt. Der heute 53 Jahre alte Handwerker war im Lager einer Firma für Bestellung, Bezahlung und Auslieferung von Baumaterialien zuständig. Im Laufe der Jahre soll er deutlich mehr Kabel geordert haben als gebraucht. Etwa zehn Kilometer des wertvollen Materials habe er an einen Schrotthändler verkauft und seiner Firma damit einen Schaden von rund 300 000 Euro zugefügt.

Sein Mandant räume die Untreue grundsätzlich ein, erklärte Rechtsanwalt Reinhard Debernitz, doch könne er sich nicht auf eine Zahl festlegen. Sowohl die 2803 Fälle als auch den daraus resultierenden Schaden könne er so nicht bestätigen.

Der Angeklagte, sagte der Anwalt weiter, habe einen Auflösungsvertrag mit seinem früheren Arbeitgeber unterschrieben und diesem immerhin 6000 Euro Wiedergutmachung gezahlt. Im Auftrag seines Mandanten habe er, Debernitz, sich wegen eines Täter-Opfer-Ausgleichs mit den Anwälten der in die Insolvenz gerutschten Firma bemüht. Er sei von dem Hausjuristen auf nach dem Urlaub vertröstet worden und habe seither nichts mehr von ihm gehört.

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hatte in der Anklageschrift auch die Forderung erhoben, der 53-jährige Handwerker müsse Wertersatz leisten, eben diese rund 300 000 Euro. Davon, bat Richter Rainer Würth Staatsanwältin Sabine Pätzold, möge die Staatsanwaltschaft wegen überzogenen bürokratischen Aufwands abzusehen.

Doch da biss der Richter zu seiner Überraschung auf Granit. Die Staatsanwältin ließ sich auch in einem Gespräch unter vier Augen nicht überzeugen.

Auch die Argumentation von Rechtsanwalt Debernitz, dass ein insolventes Unternehmen nicht als Adressat dieser vom Staat eingezogenen Summe auftreten könne, überzeugte Sabine Pätzold nicht. Weniger hartnäckig blieb sie in ihrem Plädoyer. Zwar nahm sie jeden einzelnen Fall für sich, der mit je sieben Monaten Haft bestraft werden müsse. Allerdings reduzierte sie die 1635 Jahre Haft, die unter dem Strich herausgekommen wären, auf zwei Jahre, die noch dazu zur Bewährung ausgesetzt werden könnten. Der Angeklagte sei ein unbeschriebenes Blatt, hat einen neuen Job und Familie. Die Prognose sei positiv. Zudem habe er schon drei Monate in Untersuchungshaft verbracht. Als Auflage dachte sie an die Zahlung von 6000 Euro.

Eine Art Sündenbock

Das Vierteljahr Untersuchungshaft führte auch Reinhard Debernitz ins Feld. Er sah in seinem Mandanten aber auch eine Art Sündenbock. In den Jahren vor der Insolvenz, stellte er in den Raum, habe in dem Unternehmen eine geduldete Art von Selbstbedienungsmentalität geherrscht. Der dadurch entstandene Schaden sei dem 53-Jährigen dann zur Gänze zugeschoben worden. Denn die Aufstellung der entwendeten Materialien hätten Steuerberater und Anwälte des Unternehmens übernommen.

Der Angeklagte sei zweifellos zu einer Haftstrafe zu verurteilen, folgte Debernitz der Forderung der Staatsanwältin. Zwei Jahre auf Bewährung seien angemessen, die Geldauflage aber zu hoch und die Einziehung von Wertersatz nicht sinnvoll.

Das fand auch Richter Rainer Würth und verzichtete darauf. Der Angeklagte habe in der Verhandlung einen guten Eindruck hinterlassen. Es scheine als ob er aus den drei Monaten in Untersuchungshaft etwas gelernt habe. Die Haftstrafe legte Würth auf zwei Jahre mit einer Bewährungszeit von drei Jahren fest und die Geldauflage zu Gunsten der Verkehrswacht Neumarkt auf 3000 Euro. Rechtskräftig ist das Urteil bis dato nicht, weil die Staatsanwältin noch keinen Rechtsmittelverzicht erklärt hat.

CHRISTIAN BIERSACK

 

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