Lauert in süßer Feldspitzmaus ein gefährlicher Erreger?

23.1.2020, 19:00 Uhr
Lauert in süßer Feldspitzmaus ein gefährlicher Erreger?

© Foto: Helmut Mägdefrau

Der jüngste bekannte Borna-Fall ereignete sich erst Ende 2019, dabei starb ein elfjähriges Mädchen. Die Wissenschaftler hatten Hirnproben von 56 Patienten aus Bayern untersucht, bei denen zwischen 1999 und 2019 eine Hirnentzündung diagnostiziert worden war. Bei 28 war kein Grund für die Erkrankung gefunden worden. Bei sieben der neun Menschen, die daran verstorben sind, wurde das "Borna Disease Virus 1" (BoDV-1) nachgewiesen.

Unabhängig davon gab es zwei weitere bestätigte Infektionen. Alle Fälle kamen in Bayern vor und wurden an der Uniklinik Regensburg, in Erlangen oder im Raum München diagnostiziert, wie Martin Beer, Leiter des Instituts für Virusdiagnostik am FLI, der Deutschen Presse-Agentur sagte.

Über Organspende angesteckt

Zuvor waren bereits fünf weitere Nachweise aus den Jahren 2018 und 2019 bekannt. Unter anderem hatten sich drei Menschen über eine Organspende mit der Krankheit angesteckt, weil sie Organe eines Infizierten aus Bayern bekommen hatten.

Nur einer von ihnen überlebte die Krankheit, allerdings mit schweren gesundheitlichen Folgen.

In welchem Ausmaß das Virus insgesamt hinter Hirnentzündungen mit unbekannter Ursache stecken könnte, ist bislang unklar. Was auch daran liegt, dass Borna bisher vor allem als Pferdeseuche bekannt war.

Pferde im Landkreis erkrankt

Daher hat das Virus auch seinen Namen: Im Jahr 1885 raffte es die Pferde eines ganzen Kavallerieregiments in der sächsischen Stadt Borna dahin. Doch auch andere Nutztiere, zum Beispiel Schafe, wurden von der Hirnkrankheit befallen

BoDV-1 kommt in Deutschland in Bayern, Thüringen, Sachsen-Anhalt und angrenzenden Teilen benachbarter Bundesländer vor, auch in Österreich und in der Schweiz. "Das ist eine alte Krankheit, aber man hat immer falsch geguckt", sagte Martin Beer vom Friedrich-Loeffler-Institut.

Auch im Landkreis Neumarkt ist sie amtsbekannt. "Borna wurde bis vor einigen Jahren als anzeigepflichtige Tierseuche bei Pferden eingestuft", erklärt Dr. Kay Langner, der Leiter des Kreisveterinäramts. "Pferdebesitzer, deren Tiere nachweislich an Borna erkrankten, erhielten eine Entschädigung. Zuletzt war dies in Neumarkt vor rund 15 Jahren der Fall."

2011 wurde die Meldepflicht in Deutschland aufgehoben. Auf Nachfrage erklärte Dr. Christa Büchl, die Leiterin des Neumarkter Gesundheitsamtes, sie habe keine Kenntnis von Hirnentzündungen bei Landkreisbewohnern, die nachweislich von Borna verursacht wurden.

Infektionen lebten in ländlichen Regionen

Einziges bekanntes Reservoir des Erregers ist die Feldspitzmaus, bei der die Infektion keine schweren Symptome verursacht. Die Mäuse scheiden das Virus in Urin, Kot und Speichel aus – darüber können sich dann andere Tiere und in seltenen Fällen auch der Mensch anstecken. Eine Ansteckung von Mensch zu Mensch oder auch von Pferd zu Mensch sei auf natürlichem Wege ausgeschlossen, versicherte Fachtierarzt und Virologe Martin Beer.

Wie genau sich die Patienten in Bayern, die unabhängig von einer Organspende erkrankten, mit dem Virus infizierten, ist noch unklar. Dem Bericht im Fachjournal zufolge hatten die meisten der 14 Betroffenen Kontakt zu Tieren, lebten in ländlichen Regionen, arbeiteten in der Landwirtschaft oder waren Outdoor-Aktivitäten nachgegangen.

Viele hätten engen Kontakt zu Katzen gehabt. Auf dem Land und an Siedlungsrändern jagen die Stubentiger gelegentlich Feldspitzmäuse, die trotz ihres Aussehens keine Nagetiere, sondern Insektenfresser sind.

Kein Grund zur Panik

Oft bringen die Katzen die Beute – tot oder noch lebendig – mit nach Hause und spielen mit ihr herum. Sie fressen sie aber nicht, weil Spitzmäuse ein unangenehmes Sekret absondern. Auch wenn dieser Übertragungsweg bisher nur eine Hypothese ist, sollten Katzenbesitzer bei der Entsorgung von Spitzmäusen und ihren Exkrementen einen direkten Hautkontakt vorsichtshalber vermeiden.

Martin Beer und seine Kollegen rufen Ärzte in Borna-Gebieten dazu auf, Patienten mit schwerer Gehirnentzündung bei unklarer Erkrankungsursache auf das Virus testen zu lassen. Schon in diesem Frühjahr könnte eine Meldepflicht folgen. Grund zu Panik bestehe aber nicht, betonte Beer. "Ich rechne nach wie vor mit Einzelfällen. Das Risiko für den Einzelnen – auch in Bayern – ist sehr gering."

Viele der bekannten Patienten leiden zu Beginn an Kopfschmerzen und Fieber. Es folgen neurologische Symptome wie Verwirrtheit, Verhaltensauffälligkeiten und Sprach- und Gehstörungen. Das bayerische Gesundheitsministerium hat bereits reagiert: Es richtet eine zentrale Stelle zur Erforschung der Borna-Viren an der Uni Regenburg ein. Das Projekt soll voraussichtlich im Sommer starten.

Hier geht es zum Merkblatt des Robert-Koch-Instituts zum Borna-Virus.

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