Lost places: Letzter Besuch im Hilfskrankenhaus in Parsberg

21.6.2020, 19:06 Uhr
Lost places: Letzter Besuch im Hilfskrankenhaus in Parsberg

© Foto: Wolfgang Fellner

Direkt vor dem früheren Förderzentrum, ziemlich unauffällig, führt eine Rampe in die Tiefe. Eine Metalltür fällt schmatzend ins Schloss. Die muss zugesperrt werden, sagt Hausmeister Engelbert Schmid, der mit Christian Wild, bei der Landkreisverwaltung zuständig für die Gebäudeverwaltung, den Besucher unter die Erde begleitet. Schmid kennt sich in der Anlage aus, in der sich der Unkundige schnell verlaufen kann.

Hinter dem Eingang steht der Besucher auf einem Gitterrost, gute drei Meter über dem Betonboden. Hebel, Ventile, Rohre, Kompressoren, noch mehr Rohre, Hebel, Ventile: Im Raum unter den lichten Rosten steht eine Belüftungsanlage, Stand 70er Jahre, vermutlich. Vieles bleibt im Ungewissen bei einem Besuch in dieser Schattenwelt.
Die Neonröhren, die sich entlang der Betondecke ins Nichts winden, funzeln schwach, wenn sie es noch tun. Viele bleiben dunkel. Am Boden steht Wasser, darunter liegt in manchen Bereichen ein brauner Algenteppich. „Vorsicht, glatt“, warnt Schmid. Spiegelglatt. Und nicht wegen Corona, sondern wegen der schlechten Durchlüftung der Räume und möglicher Schimmelbildung ist Maske Pflicht.

Das Hilfskrankenhaus, das die Bundesrepublik zur Hochzeit des Kalten Krieges mitten in Parsberg unter ein bis zwei Metern Erde versteckte, ist lange in Vergessenheit geraten.Darüber findet sich der Flachbau des früheren Förderzentrums, über der Straße ein weitläufiger Parkplatz. Im Flachbau sollen bald Not-Klassenzimmer für die Grundschule eingerichtet werden.

Warum das Hilfskrankenhaus hier ist? Vielleicht wegen der Nähe zum Truppenübungsplatz? Weil Parsberg ein Verkehrsknoten ist? Im Falle des V-Falles? Oder, im Duktus der Zeit: Wenn der Russ’ kommt?

Lost places: Letzter Besuch im Hilfskrankenhaus in Parsberg

© Foto: Wolfgang Fellner

Der Bunker ist in drei Abschnitten entstanden. Es ist ein Stahlbetonbauwerk mit massiven Wänden und Decken. Das Außenschutzbauwerk und der Bettenschutzbau sind über einen leicht abfallenden Tunnel unterhalb der Straße verbunden. Den Außenschutzbau errichtete 1965 noch der Landkreis Parsberg.

Nach der Kreisgebietsreform war die neue, so viel größere Gebietskörperschaft in der Pflicht. Der neue Landkreis Neumarkt erstellte ab 1972 den unterirdischen Bauteil A, 1978 folgte der Bettenschutzbau Bauteil B. Beide haben eine Fläche von 2600 Quadratmetern. Im ersten ist Platz für 330 Betten, 258 für Patienten, 72 für das Personal. Dazu kommen die Stations- und Behandlungszimmer, Teeküchen, WC-, Wasch- und Lagerräume. Im zweiten Bauteil finden 407 Betten Platz, 312 für Patienten, 95 fürs Personal.

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© Foto: Wolfgang Fellner

Im Bettenbau ist auch eine große Lüftungsanlage mit Sandfilter für das gesamte Bauwerk untergebracht. Die ist heute noch zu bewundern: Massive Siemens-Kompressoren stehen im Halbdunkel, darüber zahllose Akkumulatoren, dicke Rohre, der Geruch von Öl und Diesel steigt in die Nase, ein Luftfilter ragt auf. An der Wand eine Werkbank; und auf ihr Ersatzteile und Werkzeuge, als wäre der Mechaniker gerade erst eine Zigarette rauchen gegangen.

Die weitläufige Anlage ist nur zum Teil geräumt. Die Patientenzimmer und die OP-Räume sind leer, Toiletten, Duschen, die schwere Technik in der Küche oder für die Lüftung – das ist alles noch da.

Genutzt wurde ist das Hilfskrankenhaus in seiner Geschichte nur zwei Mal: in den 1980er Jahren kamen hier Asylbewerber unter, nach der Maueröffnung geflüchtete DDR-Bürger.

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© Foto: Wolfgang Fellner

Den Bunker wird es nicht mehr lange geben. Zuerst wird der Bettentrakt geschleift. Hier soll ein Haus der Gesundheit gebaut werden, als zeitgemäßer Ersatz für das Parsberger Krankenhaus.
Und 2024, nach dem Abschluss der Generalsanierung des Gymnasiums Parsberg, soll auf dem Areal des Förderzentrums eine Bushaltestelle samt Parkplatz entstehen. Dann wird der letzte Zeuge des Kalten Krieges in Parsberg, einst für 4,3 Millionen Euro im Jura vergraben, verschwunden sein.

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